http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0408
Abtei Schwarzadi: Chorgestühl mit Lesepult
Aufn.: Jos. van Heekern
ausgebildet, die Verwendung des Stucks, und zwar für Freiplastik wie für den mehr
dekorativen Antragstuck an Wänden und Decken. In geschliffenem Stuckmarmor
wurden ganze Altäre und Kanzeln samt dem figuralen Zubehör aufgebaut. Das
Verfahren kam Ende des 16. Jahrhunderts aus Italien, wie die damit arbeitenden
Meister überwiegend Italiener waren, nur in Oberdeutschland war auch eine von
Wessobrunn ausgegangene deutsche Schule mit glücklichstem Erfolg tätig. Schon im
Neubau des Badener Schlosses ist uns diese Dekorationskunst in überaus wirkungsvollen
Leistungen begegnet. An den Decken werden jetzt im Barock die holzgeschnitzten
Kassettengliederungen abgelöst durch Stuckformen, die kräftige Rahmengliederungen
mit ornamentaler Füllung bringen. Die Deckenzeichnung wird in diesem
ungemein schmiegsamen Material viel bewegter und reicher; in ihren Formen
spricht sich das ganze leidenschaftliche Pathos des Stiles aus, aber auch der reiche
Erfindungsgeist und ein bewundernswürdiges Schönheitsgefühl. Diese Dekoration
überwuchert schließlich den konstruktiven Gliederbau der Architektur vollständig
in schönheitstrunkener Leidenschaft, um von der Mitte des 18. Jahrhunderts langsam
zu ermatten und in ihren Formen zu erstarren. Gerade in diesem wichtigen
Kunstzweig fehlt es aber vorerst fast noch gänzlich an einer zuverlässigen und erschöpfenden
Darstellung der Entwicklungslinie und für Mittelbaden selbst an der
Möglichkeit der sicheren Erfassung der Künstlerhand der einzelnen Meister. So
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