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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 36
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der nicht nur die im Gaisbacher Schreibstübel begonnenen Werke übernahm,
sondern durch eigene Aufträge den volkstümlichen Schriftsteller in seiner Richtung
weiterdrängte.

Wenn das literarische Werk mit dem bisher skizzierten Bildungsgang in Einklang
gebracht werden soll, so genügt es nicht, sich auf die 1683/84 im Verlag des
Sohnes Johann Jonathan Felßecker erschienene Gesamtausgabe zu verlassen. Da
ist manches nicht aufgenommen, was im Einzelvertrieb desselben Verlages besseren
Absatz fand und auf eine andere Käuferschicht rechnete. Als Kalendermacher ist
Grimmelshausen von der Gesamtausgabe ausgeschlossen, sowohl mit seinem „Ewigwährenden
" von 1670, der sieben Jahre später nochmals aufgelegt wurde, als auch
mit den Jahreskalendern, die unter den Titeln „Europäischer Wunder-Geschichten-
Calender" und „Simplicianischer Wunder-Geschichten-Calender" erschienen und
für 1670 bis 1673 von Grimmelshausen redigiert sein dürften. Für sie waren die
drei weiteren Kontinuationen bestimmt, die den „Simplicissimus" nach Europa zurückkehren
lassen, wo er seine Tätigkeit als Zeitungsschreiber und Kalendermacher
aufnimmt, ins liederliche Leben zurückfällt und sich dann als Arzt auftut.

Auf der anderen Seite sind in das Nest der Gesamtausgabe mehrere Kuckuckseier
gelegt worden: die gegenreformatorische Streitschrift „Simplicii angeregte
Uhrsachen, warumb er nicht Catholisch werden könne? Von Bonamico in einem
Gespräch widerlegt" gehört dem Johannes Scheffler an; auch sind drei kleine Satiren
, die schon im Jahr 1660 als „Satyrische Gesicht- und Traumgeschicht" zusammengefaßt
waren, nach Moscheroschs Zeugnis dessen pfälzischem Freund und
Nachahmer Balthasar Venator zuzuschreiben.

Die beiden Grimmelshausenschen Frühwerke sind sehr verschiedenen Charakters
. Der „Satyrische Pilgram", der an jene bei Hans Sachs, Burkhard Waldis und
anderen behandelte Fabel erinnert, worin ein Pilgram kalt und warm zugleich
aus seinem Munde bläst, bringt im Dreitakt von Satz, Gegensatz und Nachklang
Betrachtungen über Gott und Welt und der Menschen Art und Treiben. Dem Titel
entspricht die Dialektik insofern, als ein Lebenspilger zwischen den Gegensätzen
von Schwarz und Weiß, Bös und Gut, Kalt und Warm seinen Weg sucht. Darin ist
die Satire bereits eine Vorstufe des „Simplicissimus", dessen demnächstiges Erscheinen
am Schluß angekündigt wird. Der „Joseph" dagegen ist eine mehr legendenmäßig
als romanhaft erzählte biblische Geschichte, die in der Redeweise der
Personen volkstümlich eingedeutscht ist. In der der zweiten Auflage angefügten
Geschichte des lebensklugen und findigen Schaffners Josephs, des Elamiten Musai,
sind pikareske Züge entwickelt, die zeigen, daß dieser treue Diener seines Herrn
nicht nur in seinem Beruf Verwandtschaft mit dem Dichter selbst hat. Mit dieser
Figur tritt der Joseph-Roman gleichfalls in Beziehung zum „Simplicissimus",
dessen Held in einem eingeschobenen Lippstadter Kapitel sogar mit chronologisch
unmöglicher Ironie zum Verfasser der biblischen Erzählung gemacht wird.

Das nun folgende Hauptwerk ist Satire, Geschichtsbild und Roman zugleich.
Satirisch sind im „Simplicissimus" (1669) die beschaulichen Betrachtungen über
den Lauf der Welt und ihre Veränderlichkeit, die sich der Mittel des Diskurses,
der Allegorie und der Traumvision bedienen und in dieser dreifältigen Einklei-

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