Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 221
(PDF, 67 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1962/0233
zerfall herlaufende allmähliche Geldverschlechterung immer mehr geschmälert; die
Flucht der Bauern in die von der Pest entvölkerten Städte, die die Höfe wüst
werden und die Felder unbebaut bleiben läßt, die hochgetriebenen Löhne, die es
den Grundherren unmöglich machen, wenigstens die Eigenwirtschaft im gleichen
Umfang wie bisher weiterzuführen, beides verschärft im 14. Jahrhundert die
Situation. Es wird dem Ritteradel immer weniger möglich, seine durch das Sozialprestige
bestimmten und im Wettbewerb mit dem seine „noch fragwürdige soziale
Stellung" festigenden lb) Bürgertum nur noch höher geschraubten Ansprüche zu
befriedigen. Er kann mit seinen schwindenden Einnahmen die durch einen anhaltenden
Preisanstieg verteuerten Produkte des städtisch-gewerblichen Marktes
nicht mehr kaufen. „Die Grundbesitzer bezogen von ihren Leuten" im günstigsten
Falle „das, was sie zum Leben bisher immer bedurften, nicht aber, was sie für die
neue Lebensweise benötigt hätten."2) Stück für Stück müssen große Teile des
Besitzes gegen bare Münze aus der Hand gegeben werden, müssen hochverzinsliche
Darlehen in der Hoffnung auf eine Besserung der Wirtschaftslage aufgenommen
werden, wälzt sich die Verschuldung und Verarmung lawinenartig
weiter.

Die Möglichkeiten, die zur Abschwächung der Not zur Verfügung stehen, sind
gering. Zwar gelingt es einigen, wenn auch nur mit Mühe, eine Erhöhung und
Neufestsetzung der Abgaben zu erreichen. Aber was hilft das schon! Auf Jahre
hinaus ist auch dann die Einkommensstruktur wieder festzementiert. Nach kurzer
Zeit ist die Mehreinnahme durch die übermächtige Preisentwicklung aufgefangen,
durch das Weitersinken des Münzwertes ausgeglichen, hinken die Einnahmen
wiederum hinter den Ausgaben her.

Söhne, denen ein standesgemäßes Leben, Töchter, denen eine standesgleiche
Heirat nicht mehr gesichert werden können, müssen in die Klöster eintreten, die
allmählich den Charakter von „Versorgungsanstalten"3) annehmen. Angehörige
verarmter Familien verdingen sich bei Fürsten und Städten oder „einem vom
Glücke mehr begünstigten Standesgenossen, und manche von ihnen verrichteten
dann in Stall und Wald recht untergeordnete Arbeit" 4). Manchem bietet ein
städtisches Amt ein bescheidenes Auskommen, gewährt eine Beamtenstellung an
einem der Höfe die Chance zu wirtschaftlicher Sanierung. Die Straßenräuberei
wird aus der Not heraus zum einträglichen und beliebten Broterwerb. Nur wenige
haben das Glück, durch Heirat einer Tochter aus wohlhabendem Haus ihre mißliche
Lage zu bessern, „ihre verrosteten Adelsschilde mit bürgerlichem Golde aufzufrischen
" 5). Anderen schließlich bleibt nichts anderes übrig, als in der gemeinen
Bevölkerung unterzutauchen und dem ritterlichen Leben auf immer zu entsagen.

Gewiß, es wäre töricht, den überall festzustellenden Zusammenbruch der bevorzugten
Position des Niederadels allein auf wirtschaftliche Gründe zurückführen
zu wollen. Politische Gründe, wie das Erstarken der Städte und die beginnende
Entstehung der fürstlichen Territorialstaaten, die allmählich stärker werdenden
Versuche zur Festigung und Ausdehnung ihrer Herrschaftsbereiche und -ansprüche,
militärtechnische Gründe, wie der erfolgreiche Einsatz neuartiger Waffen und der
Siegeszug der neuen Taktik in der Kriegführung, oder ganz allgemeine Ursachen,

221


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1962/0233