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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 86
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0098
Vererbte Grenzprobleme

Getreulich wurden die Geroldsecker Grenzprobleme von einem Besitzer an
den andern weitergegeben, und vom Herrn von Cronberg übernahmen sie die
Grafen von der Leyen. Ihre Behandlung bleibt im großen ganzen dieselbe. Die
von der Leyen entfalteten dabei vielleicht etwas mehr Methode, scheuten sich
unter Umständen aber auch nicht, Gewalt gegen Gewalt zu setzen. Neu in diesem
Gebiet, mußten sie damit rechnen, daß die Grenznachbarn versuchen würden
herauszufinden, wie weit man mit ihnen gehen könne, und so war es wichtig, ihnen
gleich am Anfang gebührend entgegenzutreten.

Den ersten größeren Grenzzwischenfall brachte das Jahr 1708. Im Juni dieses
Jahres kam die Nachricht nach Neuendautenstein, die Zeller hätten, sozusagen
über Nacht, diesseits der Kinzig bei der Brück auf „undisputierlich geroldsecki-
schem Grund und Boden" einen Zollstock aufgerichtet. Wo aber ein solcher Zollstock
steht, will man auch Zoll erheben. Das mochten die Zeller drüben auf ihrem
Gebiet nach Belieben tun, daß sie aber mit dem Zollstock über die Kinzig herüberkamen
, war eine offenkundliche Grenzverletzung.

Die von der Leyensche Verwaltung tat, was bei der hundertfachen Rücksichtnahme
, die es zu üben galt, das Gegebene war: sie suchte in den alten Akten
nach einem Präzedenzfall, und sie fand ihn auch. Vor über hundert Jahren war
unter dem letzten Geroldsecker, dem Grafen Jakob, ein ähnlicher Fall vorgekommen
. Damals hatten die Zeller nicht nur einen Zollstock errichtet, sie hatten
auch ein Zollhaus dabei gebaut und einen Zöllner hineingesetzt und dies ebenfalls
„auf undisputierlich geroldseckischem Grund und Boden". Nun, der Graf hatte
ihnen dafür getan. Er hatte in einer überfallartigen Aktion das Zollhaus niederreißen
, die Trümmer in die Kinzig werfen und den Zöllner durch die Kinzig
zurück ins Zellische jagen lassen. Nach dem Beispiel dieses Vorgehens schickte man
jetzt, am 28. Juni, eine Anzahl bewaffneter Knechte zu dem in Frage stehenden
Zollstock — solche Unternehmungen führte man wohlweislich meist vor Tagesgrauen
aus —, und dann wurde nicht lange gefackelt. Sie rissen den Zollstock
heraus, hieben ihn in „Stücker" und warfen die Stücke in die Kinzig, wo sie
munter davonschwammen.

Verständlich, daß die Stadt Zell dieses Vorgehen übel vermerkte und mit
Gegenmaßnahmen und einem Prozeß drohte. Deshalb hielt man dreiviertel Jahre
später zu Seelbach eine amtliche Befragung ab. Es kamen damals, am 16. April
1709, 18 Personen auf der Laube oder Bürgerstube zu Seelbach zusammen, um
ihre Aussagen zu machen. Einer der wichtigsten Zeugen war damals der ehemalige
Geroldsecker Jäger Georg Wild.

Er gab zu Protokoll: „Er sei achtzig Jahre alt, von Schuttertal gebürtig und
sei der Herrschaft Geroldseck Jäger gewesen. Derzeit sei er in Kuhbach wohnhaft
. Wie er von alten Leuten in seiner Jugend gehört, gehe die Gerechtigkeit
dieser Herrschaft bis mitten in die Kinzig hinein und hätten die Zeller diesseits
einiges Recht früher einmal gehabt. Der Grund und Boden, worauf die Zeller
den Zollstock gesetzt, sei seiner Herrschaft zuständig. Sie hätten kein Recht da,
und es sei niemals ein Zollstock allda gestanden. Geroldseckerseits sei einmal ein

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