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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 135
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Sorge für die Existenzgrundlagen. Abt und Prior, die beide sich amtsmäßig mit
den Gesamtbelangen der Abtei beschäftigen und darüber zuweilen den Convent
unterrichten mußten, hatten eine sehr schwierige Doppelaufgabe zu bewältigen.
Außerdem trat störend hinein der öftere Personenwechsel in diesen Ämtern. Die
verwaltungsrechtliche Einarbeitung lief zudem nur nebenbei und ließ meist zu
wünschen übrig 2).

Die zu beachtenden Herrschaftsrechte und noch mehr die vielen Ausführungsbestimmungen
in den Urteilssprüchen mit Weistumsrang wurden allmählich schwer
übersichtlich. Unter solchen Umständen war das Verlangen nach Vereinfachung,
in diesem Falle also nach zusammenfassender Aufzeichnung der geltenden Rechtsverhältnisse
, mehr als natürlich. Noch dringender forderte diese Arbeit das Gerichtsverfahren
der abteilichen Gerichte. Die Beisitzer waren auch in späterer
Zeit meist keine Voll-Juristen, selbst die Richter und Gerichtsvorsitzenden waren
dies bis in die Neuzeit hinein zuweilen nur am Rande.

Dazu kam die Gerichtspraxis selbst. In einem Tag mußte das Gericht schlagartig
hintereinander von morgens bis in die Nacht Gerichtsfall um Gerichtsfall durchpeitschen
und sofort entscheiden. Das mußte, soweit es überhaupt vorher bekannt
und also möglich war, wenigstens vom Richter vorbereitet sein. Wenn der Richter
und das Gericht erst stunden- oder gar tagelang die zahlreichen Privilegien und
die noch zahlreicheren Einzelweistümer und Urteilssprüche, die bei der damals
üblichen ungegliederten Aufzeichnungsweise selbst für Zeitgenossen sehr schwer
lesbar waren3), erst noch studieren und für die Anwendung auf einen vorliegenden
Fall während des einen Gerichtstages zurechtlegen sollten, so wurde
dies einfach eine Überforderung. Daher zwangen gerade diese unabweisbaren
Bedürfnisse zu geeigneten zusammenfassenden Aufzeichnungen des alten Herkommens
und der jüngeren Gewohnheiten.

Aus diesem Zwang heraus entstanden die Teil- und Gesamtverfassungen von
1275, 1331 und 1516 und nicht etwa für einen gerade vorliegenden juristischen
Einzelfall 4).

Es waren in der Tat gesetzliche Vorschriften, wirkliche Gesetze, und das Ganze
also eine wahrhaftige Gesetzessammlung, auch wenn der Nichtjurist Scheffel sie
nur unter dem Titel Privilegien laufen ließ, denn aufgrund dieser mußten die
Richter und Beisitzer ihre Urteile fällen 5).

Der Zug zu solchen Zusammenfassungen war damals überall in Deutschland
vorhanden, so daß diese schwierige Arbeit gerade für die komplizierten Verhältnisse
der Gengenbacher Abteiherrschaft nicht länger hinausgeschoben werden konnte.

Wenn der Oberschaffner Scheffel 1802 behauptete, in der Abteiherrschaft gäbe
es keine Gesetzessammlung, so hatte er darunter eine Sammlung von juristischen
Grundsätzen nach Art des Römischen Rechts speziell der Codex Justiniani im

2) H 229,607 ff.

3) Beweis sind die häufigen Lesefehler bei gleichzeitigen oder bald danach erfolgten Abschriften.

4) Wie Mommsen aaO. irrig vermuten wollte; er hat eine entscheidend wichtige Quellengruppe, die Bamberger
Privilegien, gar nicht gefunden.

5) M 1516,68.

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