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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 124
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findet sich immer auf dem Wege nach Deutschland, wohin er selbst als hochgeschätzter
amerikanischer Staatsbürger, von Heimweh geplagt, zurückkehrt, um es
nicht zu finden. Für ihn ist Deutschland kein leerer Begriff, sondern die stets
quälende Hoffnung, auf deren Erfüllung er zeit seines Lebens mit unvorstellbarer
Tatkraft hinarbeitet. Aber dieses heiß ersehnte Deutschland hat der „Künder des
jungen deutschen Nationalbewußtseins"5) nicht mehr erlebt, sowenig wie sein
anderes Ziel, eine gesicherte berufliche Stellung in diesem Lande zu erhalten. Der
Ungeist Metternichs lastete auf dem Leben eines Mannes, der trotz des Verlustes
seines in Amerika erworbenen Vermögens eine vom französischen Kriegsminister
Thiers angebotene Stelle ausschlägt.

Die verhängnisvolle Verurteilung zu 10 Monaten entehrender Festungshaft
durch den Kriminalsenat des Gerichtshofes für den Neckarkreis am 6. April 1822
wegen Verleumdung der Regierung, Beschimpfung der Staatsdiener und anderer
„Verbrechen", löst eine dramatische Irrfahrt aus, die erst am 30. November 1846
mit dem Tode Lists in Kufstein ihr Ende findet. Am 13. April 1822 flieht er aus
Stuttgart und eilt „wie von Furien gepeitscht" an den Rhein, da ihm die Füße
auf der deutschen Erde brennen, wie er zwei Tage später seiner zurückgebliebenen
Frau Karoline schreibt. Sein Ziel ist Straßburg, und um in Kehl nicht abgefangen
zu werden, fährt er ruhlos auch die Nacht durch. Um 5 Uhr früh erreicht er
Rheinbischofsheim, wo er vorsichtshalber den Kaufmann Bosselt aufsucht
, einen Schwager des Pfarrers Flachsland in Straßburg, um Erkundigungen
wegen des Rheinüberganges anzustellen. Von ihm erfährt List, daß er im Augenblick
wegen Unruhen in Straßburg ohne Paß nicht über die Rheinbrücke gelangen
kann, und unter Zurücklassung seines Gepäcks folgt er dem Rat Bosselts und läßt
sich bei A u e n h e i m durch einen Schiffer mit einem Nachen übersetzen, den er
sogleich wieder zurückschickt. Die herbeieilenden Zöllner weisen ihn auf das
Verbot hin, hier zu landen, jedoch hat List bei diesem Manöver unwahrscheinliches
Glück:

„Da sie mich aber doch nicht ins Wasser werfen konnten und ich ihnen auch
sonst eine ehrliche Haut scheinen mochte, so ließen sie mich ziehen. So kam ich
als Sonntagsspaziergänger durch die Ruprechtsau nach der Stadt, wo ich um
elf Uhr eintraf . . ."

Dort findet er Zuflucht bei einer alten Kaufmannswitwe, die er humorvoll
schildert:

„Mit ganzer Seele liberal, wie die meisten Elsässer liest sie morgens in aller
Früh schon den Pariser Courir, weint über die Reden der Deputierten helle
Tränen und erweist den Männern der linken Seite göttliche Verehrung . . . Seit
sie weiß, daß ich ein verfolgter Liberaler bin, hat sie mich auch unter die Zahl
der Heiligen versetzt und ich glaube fast, sie schenkt mir den Hauszins, was das
erstemal wäre, daß mir der Liberalismus etwas eintrüge."

Wohin auch immer das Schicksal diesen ungewöhnlichen Mann verschlägt, stets
wird sein jeweiliger Aufenthaltsort zum Ansatzpunkt neuer Initiative, zur Stätte

5) Friedrich Lenz, Friedrich List, Der Mann und das Werk, 1936.

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