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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
45. Jahresband.1965
Seite: 15
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1965/0017
Zeit in großer Anzahl ein, da der Bruder des Königs von Neapel, der Graf von
Syrakus, sich ständig in Baden aufhielt. Unter den fürstlichen Herrschaften,
welche regelmäßig kamen, stand obenan die Königin Karoline von Bayern; dazu
gehörten noch der Prinz Emil von Hessen, der alte Kurfürst von Hessen, der mit
der Gräfin Reichenbach17) verheiratet war und in Baden sein eigenes Haus18)
besaß, und endlich der Prinz Friedrich von Preußen. Diese verkehrten besonders
viel mit meinen Eltern und beteiligten sich häufig an unseren Ausflügen. Die
Fremden von Ansehen und Namen ließen sich in der Mehrzahl zum Empfang
anmelden und wurden nach früherer Sitte auf der Promenade meinen Eltern vorgestellt
, auf der rechten Seite der Budenreihe, etwa dort, wo sich heute der Kiosk
für die Musik befindet. Diese Vorstellungen fanden zwei- bis dreimal in der
Woche zwischen zwölf und ein Uhr mittags statt und gaben stets der gesamten
Badegesellschaft Veranlassung, sich auf der Promenade bei den Klängen des Kurorchesters
zu vereinigen. Unter den Namen, die mir noch erinnerlich sind, befindet
sich auch derjenige eines Fürsten Philipp Löwenstein, welchen mein Vater
häufig sah, weil er ein Kriegskamerad von ihm aus der Kampagne in Frankreich19)
war. Von bekannteren russischen Familien, die vertreten waren, nenne ich
Dolgorucki, Tschernitschew, Suworow, Gagarine20), Domidow, Kleinmichel,
Bariatinski, Scheremetziew und Wiasemski21); mit ihnen erschien unser russischer
Gesandter v. Struve22), der mit einem Fräulein v. Berckholz verheiratet war.
Auch Engländer haben sich zahlreich in Baden niedergelassen und Häuser gekauft,

zu rauchen (Berl, a. a. O. Seite 4). — Das Restaurant ä la Franchise des Monsieur Chabert lobt man 1836
ganz besonders, zumal auch die Preise den Pariser Speisehäusern entsprechen (Berl, 86).

17) Madame Emilie Ortlepp, die Tochter eines Berliner Goldschmiedes, hatte 1812 mit dem Kurprinzen
Wilhelm von Hessen ein Verhältnis angefangen und ließ sich 1821 zur Gräfin von Reichenbach erheben.
1830 reiste Kurfürst Wilhelm nach Wien, um die Standeserhöhung der Gräfin Reichenbach zur Fürstin bei
Metternich zu betreiben. Als 1831 die Gräfin unverrichtetersache nach Wilhelmshöhe bei Kassel zurückkehrte
, erzwang der Volksunwille ihre Flucht. Heimlich aber ließ sie ihr Hab und Gut, das auf 16 Millionen
Taler geschätzt wurde, in großen Frachtwagen abholen. Der Kurfürst folgte ihr nach und hat
Kassel nie wieder gesehen (Ludwig Emil Grimm, Lebenserinnerungen, Seite 462).

18) Es ist das von Weinbrenner entworfene Gebäude in der Winterhalterstraße, in dem sich heute der
Internationale Klub befindet. In diesem Hause wohnte die Königin von Schweden bis zu ihrem Tod, dann
bewohnte es bis 1871 die Gräfin Reichenbach.

19) Nachdem Badens Truppen jahrelang an der Seite Napoleons in ganz Europa kämpfen mußten,
konnte sich Baden erst nach der Schlacht bei Leipzig (18. Oktober 1813) aus dem französischen Griff
befreien. Mit russischen Regimentern, die im Dezember 1813 in Baden Winterquartiere bezogen, marschierten
auch badische Soldaten in der Neujahrsnacht 1813/14 bei Lichtenau über den Rhein, unter ihnen
Markgraf Leopold. Diese Waffengefährtschaft ist u. a. die Ursache, daß anfangs des 19. Jahrhunderts viele
Russen aus adeligen Kreisen Baden-Baden bevölkerten. — 1814 führte die Frau des preußischen Ministerresidenten
am badischen Hof Varnhagen von Ense in Baden-Baden den ersten romantischen Salon. Gäste
waren u. a. Fürst und Fürstin von Löwenstein, General von Trettenborn und Karl August von Sachsen-
Weimar (Berl, 40).

20) Im Gunzenbachtal bei Baden-Baden hatte der russische Fürst Gagarine einen Palast. Später erwarb
die Fürstin Gagarine mit ihren beiden Töchtern die Schweigertmühle, baute das Mühlenanwesen um, und
von da an hieß die Mühle „Villa Gagarine". Die lcdig gebliebene Prinzessin Tatiane Gagarine starb hier
hochbetagt nach dem ersten Weltkrieg. Heute befindet sich die „Bäder- und Kurverwaltung" darin (Berl,
a. a. O. 4 u. 105, sowie „Der Ufgau", Seite 250).

21) Um 1850 wohnte in der Schweigertmühle der russische Fürst Wiasemskij, der Gesandter am badischen
Hofe war. Er verbrachte aber mehr Zeit am Spieltisch zu Baden-Baden, bis er schließlich vom Zaren
abgerufen werden mußte (Berl, a. a. O. Seite 4).

22) Eine geborene von Struve, Therese von Bacharacht, war Tochter des russischen Generalkonsuls von
Baden (Berl, a. a. O. Seite 237).

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