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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
46. Jahresband.1966
Seite: 124
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Fuß des Berges ergibt, daß nur ein verhältnismäßig geringer Austausch von Verbrauchsgütern
durch das ganze Mittelalter hindurch stattfand, daß beispielsweise
die Weintransporte in sehr mäßigen Grenzen blieben und die typischen Fernhandelswaren
den Weg durch das Kinzigtal bevorzugten. Der Bischof war nicht
stark genug, die Kinzigtalstraße zugunsten der seinigen im Renchtal zu sperren
wie etwa der Herzog von Bayern den Münchener Flußübergang durch Gewalt
an die Stelle der Freisinger alten Zollstätte brachte. So blieben die Renchtalstädte
— ich setze Oppenau mit Oberkirch gleich — lediglich Umschlagplätze für ein
begrenztes landwirtschaftliches Gebiet, und der Weg ins Renchtal war trotz
Kniebisübergang eine Sackgasse. Es sammelte sich weder Geld noch Macht in Oberkirch
, und dementsprechend wuchs kein nach Selbständigkeit drängendes Bürgertum
heran. Das empfanden bereits die Gründer: in den ersten 100 Jahren wanderten
verschiedene Kaufmannsfamilien wieder ab, und die Erbschultheißen
wechselten ins adlige Lager über7). Deshalb blieben dem Gemeinwesen blutige
Machtkämpfe, wie sie anderwärts stattfanden, erspart. Die Stellung der Stadt
im Rahmen der politischen Gesamtheit hatte allezeit der Bischof als Stadtherr
oder dessen Beamter zu vertreten. So hören wir durch die ganze Zeit niemals
etwas von einer Fehde, denn Oberkirch war ja nicht selbständig und damit fehdefähig
. Soweit es kriegerischer Bedrängnis, wie etwa einer Belagerung ausgesetzt
war, galt diese dem Vermögen des Stadtherrn, des Bischofs, der damit geschädigt
werden sollte. Zölle und sonstige Gebühren innerhalb der Stadt und des Marktes
waren ebenfalls von der Landesregierung festgesetzt, die Art der Bürgerannahme
durch sie bestimmt. Ein erheiterndes Beispiel — wenigstens für uns Nachgeborene
— bieten die Beschwerden der städtischen Behörden über die innerhalb der
Stadtmauern entstandenen „adeligen Häuser", Wohnheime der in der Umgebung
sitzenden freien Ritter, die sich konstant weigerten, an städtischen Belastungen
wie Wachen, Frondiensten oder Umgelt teilzunehmen. Alle diesbezüglichen
Klagen der Stadtregierung, die bis vor das kaiserliche Gericht gebracht wurden,
wurden von dort aus abschlägig beschieden. Diese Häuser blieben gewissermaßen
exterritorial. Es war also nicht wie in der Freien Reichsstadt Straßburg, wo
Adelige, um Stadtbürger werden zu können, auf ihre standesherrlichen Vorrechte
zuerst verzichten mußten. Ich möchte es mir nicht versagen, ein köstliches Beispiel
dieses Zustandes aus dem 15. Jahrhundert zum Besten zu geben:

Ein Schauenburger hatte am Platze der heutigen Delphinenapotheke ein solches
adeliges Haus. Aus irgendeinem Grunde sollte er sich vor der Stadtregierung
verantworten. Er reagierte nicht. Da griff man zum alten Mittel des „Verpfäh-
lens", d. h., man sperrte ihn von außen her von „Wasser und Weid" ab. Was tat
unser Mann? Er ließ seinen Hausrat auf einen großen Planwagen laden, setzte
sich dazu und ließ den Wagen durch seine Frau, die die Pferde führen mußte,
mitten durch Oberkirch nach seinem Sitz Bellenstein fahren. Da er dabei nicht

7) Die Rohart-Schultheiß bemühten sich im 15. Jahrhundert um das Lehen der ausgestorbenen Neuensteiner,
in das sie sich als neue „Grundherren" einkauften. Danach hießen sie zunächst „Rohart Schultheiß von
Neuenstein", eine Generation später nur noch „von Neuenstein".

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