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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
46. Jahresband.1966
Seite: 223
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1966/0225
samem Gebet und gemeinsamem Wohnen zusammentaten, förderte Bäder das Beginnen
bis zur Klostergründung. Der Neusatzer Schultheiß aber befürchtete in Erinnerung
an die „Grundstückskäufe" der adligen Herren des vormaligen Schlosses Nachteile
für seine Neusatzer Bauern im Grundstücksverkehr und ging darin soweit, daß
er ihnen einredete, sie sollten wieder Leibeigene werden. Als er Bäder gar noch
beschuldigte, er suche Schwerkranken Zuwendungen an das Kloster für ihr Seelenheil
(„Seelgerät") abzunötigen, griff die weltliche wie auch die geistliche Behörde
ein. Bäder wies die Anschuldigungen des Amtes Bühl in mündlicher Verhandlung
derart temperamentvoll zurück, daß er in Strafe genommen werden
sollte; es gelang ihm jedoch, aus beiden Verfahren voll gerechtfertigt hervorzugehen
. Nur der Schultheiß blieb ihm aufsässig und machte ihm die Neusatzer
Dienstzeit zum Leidenssteig.

Sein Nachfolger, Johann Georg Lorenz, der neunte in der Reihe, seit 1867
Pfarrverweser und seit 1870 Pfarrherr, war von gleichem Eifer beseelt, erreichte
jedoch seine Ziele mehr durch seine sprichwörtlich gewordene Milde als durch
Straffheit.

Geradezu gegenteilig war seine Schwester, die ihm den Haushalt führte, veranlagt
. Nicht daß sie etwa in seelsorgerische Angelegenheiten eingriff, aber ausgesprochen
herrschüchtig war sie. Die ersten Plätze der hintersten Bank in der
Kirche waren „Reservat" der beiden Lehrersfrauen. Mit robustem Schubbs drückte
„das Fräulein Luis'" die beiden „Schulmeisterweiber" um je einen Platz herunter.
Wer im Pfarrhaus zum Herrn Pfarrer wollte, mußte sich von dem Fräulein zuerst
ausfragen lassen über die Art des Anliegens. War es rein wirtschaftlicher Art, so
zückte das Fräulein Luis' den Geldbeutel oder half gegebenenfalls mit Leinenzeug,
Strickware und dergleichen aus. Sie gab nie reichlich, doch stets genügend.

Begegnete dem Fräulein Luis' auf der Straße ein Kind, so wurde es, bevor es
noch zum Gruß ansetzte, mit kritischen Blicken durchgemustert bis hinab zum
Schnürsenkel, und in harten Worten tadelte das Fräulein die geringste Nachlässigkeit
, sonderlich in den Nähten der Mädchenkleidung. Die Folge war, daß
die Kinder sich vor ihr zu drücken suchten.

Auch ich geriet einmal mit ihr zusammen: Ich hatte als Quartaner der Acher-
ner Realschule ein gutes Weihnachtszeugnis heimgebracht und erhielt dafür von
meinem Vater die Erlaubnis, in dem an der Rückseite des Schulhauses vorbeifließenden
Bach das gestaute Eis loszuhacken und dadurch die Bildung eines Eispflasters
auf der Wiese des Nachbarn zu verhindern, was diesem ein großer Gefallen
und mir, das war das Ausschlaggebende, ein Mordsvergnügen war. Ich
schwang die Axt mit Vehemenz, da ließ ein Anruf mich aufschauen. Auf dem
über den Bach führenden Pfarrsteg stand das Fräulein Luis'. „Hast du sonst nichts
zu tun, Friedrich?" fragte sie in allerstrengstem Ton.

„Nein, Fräulein Luis'", antwortete ich wahrheitsgemäß und hackte weiter. Als
ich, hochbefriedigt „von meiner Arbeit", nach Hause kam, hatte sich das Fräulein
bei meinen Eltern schon beklagt über mein völlig zweckloses Tun und noch mehr
über meine „respektlose" Antwort.

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