Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 271
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0273
Verkehr abgestellt werden. Das Verbot durch die Ortsschelle nützte nichts, die
Schlittenfahrer warteten eben, bis der Straßenwart zu Bett gegangen war . . . Nun
stellte der Bürgermeister dem Pfarrherrn die aus solchem nächtlichen Zusammensein
der beiden Geschlechter — ohne jede Aufsicht — doch sicher entstehenden
sittlichen Gefahren vor und bat ihn, es in der nächsten Sonntagspredigt oder
wenigstens in der Christenlehre zu untersagen.

Pfarrer Lorenz jedoch war anderer Ansicht: „Sie, Herr Bürgermeister, brauchen
Nachwuchs für Ihre Steuerliste, ich bedarf des Nachwuchses für meine Schäfleins-
herde. Also müssen doch die beiden Geschlechter die Möglichkeit haben, sich näherzukommen
. Mangels öffentlicher Tanzveranstaltungen schafft das abendliche
Schlittenfahren einige Gelegenheit, die nötige Aufsicht leistet unser lieber alter
Mond, er leuchtet hell genug — und er erhitzt nicht. Was kann also passieren?"

Der Bürgermeister jedoch erstrebte eine brauchbare Verkehrsstraße und bestellte
die Burschen durch den Bott zum „Schellewerke": Sie sollten als Scharwerker ohne
umgehängte Schelle die Straße mit Sand bestreuen und sie auf diese Weise wieder
verkehrsfähig machen. Die Burschen aber wußten besseren Rat: Sie stellten durch
eine Sandlage am Rand der Straße einen für jedermann, auch für alte Weiblein,
ungefährlichen Fußweg her, so war dem Bürgermeister geholfen wie auch den
nächtlichen Schlittenfahrern, die nun wieder einige Stunden früher fahren konnten.

Ein kleines Nachspiel: Der Philosoph, Historiker und Dichter Adolf Welte,
Lehrer in Neusatzeck, in der Lehrerkonferenz Bühl durch seinen trockenen Humor
bekannt, hörte von dem Begebnis und gab seiner Freude darüber, daß „Se. Hochwürden
nicht nur Seelsorger, sondern auch Volkswirt (damals sagte man Nationalökonom
) und Physiker sei".

„Physiker?", fragte jemand aus der Runde.

„Nun ja: Die Kälte zieht doch die Körper zusammen!"

Die Waldmatter und die vom Gebersberg wurden zu diesen Fahrten nicht
zugelassen: die Waldsteger wollten Ausheiraten verhindern. Es kam selten vor,
daß ein Waldmatter oder einer von der Eck eine Waldstegerin heiratete. Holte
sich doch einer von der Rheinebene die Gesponsin in Neusatz, so wurde sie bemitleidet
: „Se hat uf's Land g'hirot'!" Außerdem lief jeder Fremde Gefahr, von den
einheimischen Burschen „versohlt" zu werden. Doch waren nur Fausthiebe auf
Brust und Schultern erlaubt: hinterlistige Angriffe oder Kopf- und Tiefschläge
waren nicht gestattet.

Der Verspruch

Der Bursche hatte sich durch sein Mädchen ansagen lassen zur Werbung. Die
Zusage des Vaters erfolgte in früherer Zeit durch den „Handstreich": Der Vater
legte die Hand der Tochter in die des werbenden Mannes. Der Handstreich hatte
die Bedeutung des Handschlags; er galt als Rechtshandlung.

Der Versprach wurde dem Pfarramt angezeigt und ins Kirchenbuch eingetragen.
Ging die Verlobung wieder auseinander, ohne daß es dem Pfarramt zur Kenntnis
gebracht wurde, galt der noch in Geltung befindliche Versprach als Ehehindernis.

271


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0273