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hatte, angeblich als „Tajöhr dö Dahm" — Tailleur des dames —, auf deutsch
Damenschneider. In die Heimat zurückgekehrt, hatte er seine Kundschaft im Bad
Hub gesucht, sie aber nach dem Eingehen des Bades verloren. So verlegte er den
Broterwerb in das heimatliche Dorf zurück. Sein „Schnitt" ermöglichte die Wiederverwendung
bzw. Umarbeitung abgelegter Kirchenröcke der Volkstracht, was dem
Starrsinn der Walchen recht zu paß war. Zu diesem Zwitter aus Gehrock und
Frack gehörte jedoch stilgerecht der „Claque" (lies Zylinder). Den kaufte man
bei einem der zwei Laufer Seidenhutfabrikanten, das Stück um sieben Mark. Aber
wohl fühlten sich die jungen Bauern in dieser Herrentracht nicht. Sie wollte auch
gar nicht zur schlichten Anmut der Braut im einfach schwarzen Kleid mit dem
zum Dreieck gefalteten, im Rücken gebundenen, mit dem in lebhaften „türkischen
Mustern" gehaltenen Schultertuch passen.
Ehe das junge Paar die Kirche verließ, mußte es noch das „Vorhalten" der
Ministranten passieren: sie hielten das straff gespannte Cingulum, mit dem der
Priester sich zum hl. Opfer gürtet, mit dem heischenden Teller vor. Mit nicht sehr
freudigem Blick zog der junge Bürger den Geldbeutel und machte den Weg durch
ein Talerstück wieder frei. Die anderen Gäste gaben ihre Spenden zuerst in Mark,
dann versiegte das Bächlein zu Nickeln und zu Pfennigen. Auch die ältesten Weiblein
gaben etwas in den Teller im Gedenken an die eigene Hochzeit vor einem
Menschenalter.
Der Jahreserlös aus dem Vorhalten wurde an die Ministranten nach Maßgabe
ihrer werktäglichen Dienstleistungen am Altar verteilt: in den Erntezeiten waren
die Ministranten fast ausnahmslos vom ersten Morgengrauen bei der Feldarbeit
. . .
Das Hochzeitsmahl wurde stets im Haus der Braut eingenommen. Man mußte
sparen, bis der Heini-Anteil angetreten werden konnte, schon der Taler bei der
„Vorspann" war schmerzlich gewesen. Mit dem Abendessen war das nicht gerade
üppige Hochzeitsfest beendet.
Mit nicht vielem Mehraufwand wurden die Hochzeiten in Ottersweier abgehalten
. Heiratete die Braut ins Haus des Bräutigams, so durfte sie nicht gleich mit
ihm ins neue Heim ziehen: „Es gehörte sich", daß sie noch einige Tage bei den
Eltern blieb. Nach deren Verlauf schlich sie sich im Dunkel des Abends in die
eheliche Gemeinschaft. Je länger sie diese hinausschob, mit desto größerer Anerkennung
sprach man von ihr. Denn die Freundinnen paßten schon auf ... Es darf
aber vermutet werden, daß die Spanne bis zur Opferung des Magdtums weniger
eine „Gnadenfrist", als vielmehr ritterliche Zurückhaltung des Gatten war.
Die Sitzordnung bei der Hochzeitsfeier in Hildmannsfeld
Auch in Hildmannsfeld wurden die Hochzeiten selten einmal im Wirtshaus
gehalten. Die Braut saß im Mittelalter im Herrgottswinkel zwischen den Brautjungfern
. An diese schlössen sich die Ehrenväter, bei diesen hatte der Bräutigam
seinen Platz. Erst in neuerer Zeit darf er gleich bei seiner Frau sitzen.
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