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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 287
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Flicken der Schuhe keineswegs untersagt werden könne, da sie hiezu ebenso wie
zur Fertigung neuer Arbeit befugt sind. Schnetzler, Oberamtmann."

Man geht kaum fehl, wenn man hinter dieser Zurechtweisung des Jakob Föh-
renbühler den Brotneid eines oder einiger Meister vermutet, die keinen Eindringling
in ihrem Gärtchen duldeten. Dabei drohte zunächst kaum die Gefahr, daß
der „Flickschuster" in ihr Gehege hineinschlich, denn er war Hintersasse, also nicht
vollbürgerlich und konnte daher nicht zur Fertigung des Meisterstücks zugelassen
werden.

Damit haben wir auf die soziale Lage des Schuhmacherhandwerks kurz nach
1800 hingewiesen. Sie war denkbar schlecht und wenig ermutigend. Da bat zum
Exempel der Geselle Johann Adam Weis am 3. März 1825 um Nachlaß der
Wander-Dispensationstaxe. Aus dem Bericht des Gemeinderats an das Bezirksamt
geht hervor, daß Johann Adam Weis in langen Gesellenjahren nicht so viel zurücklegen
konnte, daß es gereicht hätte, den eigenen Hausstand zu gründen. Im Gegenteil
, sein Lohn war so gering, daß er nach und nach von seinem Meister einen
Vorschuß von dreißig fl. erbitten mußte, den er noch nicht zurückerstattet hatte.
Nach der Auskunft seines Meisters hatte Johann Adam Weis „einen Lohn von
40 bis 48 Kreuzer wöchentlich erhalten. Dieses machte bis dahin einen so geringen
Verdienst für denselben, daß er nur für Anschaffung der nöthigsten Kleidungsstücke
hinreichen konnte . . . Will er nun aber jetzt eigene Haushaltung einrichten,
als Meister sein Gewerb führen, so ist augenscheinlich, daß er für seine Person
ganz ohne Vermögen anfangen muß."

Auch der Geselle Chrisostomus Muser von Biberach, Bezirksamts Gengenbach,
der 1829 das Meisterstück vorlegen wollte, weil „er sich mit der Schustermeisters
Ignatz Kolb Witwe dahier zu ehelichen gesonnen ist", war vierzig Jahre alt
geworden und arbeitete schon achtzehn Jahre in der Kurstadt.

Ein höchst renitenter Bursche

Auf ein wesentlich anders geartetes Gelände führt das dicke Aktenbündel über den
Schustergesellen Alois F. — Um jeder Mißdeutung vorzubeugen, lassen wir hier im großen
und ganzen die Aufzeichnungen selbst zu Wort kommen.

Es ist wohl jeder Epoche bestimmt, sich mit Besonderheiten ihrer Jugend auseinanderzusetzen
. Ist unserer Zeit aufgegeben, mit Gammlern zurechtzukommen und mit Halbstarken
, so hatte es vor hundertundfünfzig Jahren die Schuhmacherzunft mit widerspenstigen
Lehrjungen und Gesellen zu tun.

Da bat im Sommer 1835 der Geselle Alois F. um Zulassung zur Meisterprüfung. An
der vorgeschriebenen Wanderzeit fehlten ihm drei Viertel. Daher schlug der Gemeinderat
in einem Bericht an das Bezirksamt vor: „Der Bittsteller hat erst neun Monate lang
gewandert und ist eigentlich nicht viel mehr als ein eben freygesprochener Junge. Er ist
in dem Alter, daß er füglich — und zu seinem Vorteil — auf die Wanderschaft gehen
kann, wenn man überhaupt in hiesiger Stadt noch darauf streben soll, daß die Gewerbe
sich vervollkommnen und wenn man überhaupt die Jungen nicht gleich zu Meistern
stempeln will."

Zu seinem Vorteil! — Der Hochwohllöbliche Gemeinderat war von dem Gesellen
Alois F. nicht entzückt, hatte vielmehr mit ihm ein Hühnchen zu rupfen. Dieses Hühnchen

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