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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 294
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0296
Diese Frist war noch nicht abgelaufen, da kamen die Baden-Badener Metzgermeister mit
einem neuen Einwand. Waren sie dagegen machtlos, daß Xaver Kah im Stadtgebiet seinem
Gewerbe nachging, so suchten sie nunmehr, den Geschäftsbeginn so weit als immer möglich
hinauszuschieben. Man schrieb den Oktober 1820. Die Vorsteher der Metzgerzunft
behaupteten, bisher sei üblich gewesen, neue Metzgereien nur an Ostern in Betrieb zu
nehmen. Daraufhin erhielt der Oberbürgermeister die Anordnung, für diesen Brauch den
schriftlichen Nachweis zu bringen: „Da dem neu aufgenommenen Meister Xaver Kah nach
seiner Angabe entgegengesetzt wird, daß nach den Zunftartikeln die Meister nur um
Ostern eintreten dürfen, so erwartet man von dem Oberbürgermeister-Amt Bericht, ob
dieser Artikel bisher auch bei neu eintretenden beobachtet wurde."

Man bestellte also die drei jüngsten Meister auf das Rathaus ein, um festzustellen, zu
welchem Termin sie als selbständige Unternehmer begannen. Und siehe, die Metzgerzunft
hatte wiederum Pech! Der eine Vorgeladene nannte als Zeitpunkt Pfingsten, der andere
den 20. Februar, der dritte Martini.

Nach dieser Niederlage fiel den Zünftigen keine Schikane mehr ein. Mißmutig mußten
sie sich geschlagen geben, als bekanntgemacht wurde: „Da nach dem erstatteten Bericht bei
neuer Meisteraufnahme zur Metzgerzunft die Beschränkung auf eine gewisse Zeit niemals
beachtet wurde, so kann Xaver Kah hieran gleichfalls nicht gebunden werden und ist ihm
daher in Ausübung seiner Profeßion kein Hindernis mehr in den Weg zu stellen."

Der junge Meister mag aufgeatmet haben.

Eine erschlichene Meisterwürde

Dunkel und unklar blieb ein Fall mit einem angeblich gefälschten Lehrzeitnachweis.
Um 1837 hatte ein Gastwirt — er zählte nicht zur Familie Kah — die Witwe eines Metzgers
geehelicht und damit deren Metzgerei übernommen. So stand er eines Morgens hinter
dem Hackklotz und bediente die Kundschaft. Man mochte die Zunftleitung auf diesen
über Nacht zum Metzgermeister gewordenen Restaurateur aufmerksam gemacht haben. Sie
holte Erkundigungen ein. Weder über Lehrzeit noch über Gesellenprüfung und Meisterstück
waren Nachweise vorhanden. Nur das Zeugnis eines angeblichen Hügelsheimer Lehrherrn
wurde beigebracht. In einer Mitteilung an den Gemeinderat bestritt die Zunft mit
berechtigter Begründung den Wahrheitsgehalt dieses Schriftstücks. Sie legte dar, „es sey
Stadtkundig, daß der Bittsteller seinen hiesigen Aufenthaltsort in der angeblichen Lehrzeit
nicht verlaßen habe und er stets hier gewohnt habe. Es seye daher auch nicht möglich zu
glauben, daß derselbe während dieser Zeit in Hügelsheim in Lehre gewesen sey."

Somit beschuldigte die Baden-Badener Metzgerzunft den Gastwirt oder den Hügelsheimer
Lehrherrn der Urkundenfälschung: „Es müße das Zeugnis der Zunft in Stollhofen
darüber, daß Bittsteller zu Hügelsheim in die Lehre getreten, als unwahr erscheinen."
Und dann wurde der Zunftschreiber bissig, indem er anfügte: „Es müße nur sein, was er
aber nicht begreifen könne, daß Bittsteller während seiner hiesigen Anwesenheit zugleich
in Hügelshcim gewesen, oder daß er in Hügelsheim lernte, ohne daß er persönlich dabey
gewesen."

Spöttischer konnte kaum geurteilt werden. — Bei weiteren Nachprüfungen wurde festgestellt
, der Restaurateur habe einen gelernten Metzger in Dienst genommen, bei dem er
das Metzgerhandwerk lerne. Hierzu erklärte das Bezirksamt, dieser Lehrmeister sei viel
zu jung.

Doch als man aus dem Irrgarten keinen Ausweg fand, erhielten die Vorsteher der Metzgerzunft
am 15. April 1837 die Weisung, dem Bittsteller „das Meisterstück abzunehmen
und den Erfolg zu berichten". — Damit dokumentierte man amtlicherseits, daß ein
Kandidat auch ohne Lehrzeit, ohne Gesellenprüfung und ohne dreijährige Wanderschaft
dennoch Meister werden konnte.

Wohl nicht jeder Geselle wurde vom Gemeinderat so väterlich und fürsorglich zur
Meisterprüfung empfohlen wie Wilhelm Rößler aus Baden-Baden: „Der Nachsuchende ist

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