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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 59
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tern. Indessen wurde die alte Schütterer Klosterherrlichkeit nach Aufhebung der Abtei
sehr bald verfabelt. Man betrachtete mit einiger Scheu die Reste der Klostermauern, und
wie bei den Burgen die Ahnfrau sollte hier nächtens der „Schütterer Prälat" umgehen.

Der Landesherr aus dem Haus Baden residierte im 18. Jahrhundert unten in Rastatt.
Er trat vor allem mit seinen Zehnt- und Steuerforderungen durch seine Beamten ins
Bewußtsein des einfachen Mannes. Ihm, als dem Herrn, versicherte man in devoter Weise
nach dem Brauch der Zeit kindliche Liebe und Ergebenheit. Man bat um Milde bei seinen
strengen Forderungen „als eine arme Gemeinde getreuester Unterthanen" (1749). Im
übrigen lebten Herrenschicht und Volk, jedes für sich, in der eigenen Welt. Ein Ereignis
wie die Brautfahrt von Marie Antoinette und ihr Aufenthalt in Schuttern war Schauspiel
und hinterließ kaum tiefere Erinnerungen beim gewöhnlichen Volk.

Im weiteren Umkreis ging die gefühlsmäßige Ausrichtung unserer Ortsbewohner nach
den Münsterstädten Freiburg und Straßburg. Straßburg vor allem bildete auch in der
französischen Zeit noch lange einen landschaftlichen Mittelpunkt, und nur langsam wurden
die rechtsrheinischen Beziehungen zu dieser Stadt abgebaut. Der französische Nachbar trat
lange Jahre unter dem ungünstigen Zeichen des eingedrungenen Feindes und des Besatzungssoldaten
in Erscheinung. Später riß Napoleon sozusagen das Tor zur Welt auf und
zwang Männer auch unseres Ortes in sein weltweites Abenteuer. Der kriegerische Korse
genoß denn auch, trotz des Leides, das er über die Menschen gebracht hatte, die uneingeschränkte
Hochachtung unseres Bauernvolkes. Wer sich durch besonders forsches Auftreten
unter dem Mannsvolk auszeichnete, den nannte man kurzerhand einen „Napoleon".

Erwähnen wir in diesem Zusammenhang auch unsere Auswanderer nach Amerika, denn
gerade in der napoleonischen Zeit vermehrte sich ihre Zahl, da das unruhige Europa manchen
veranlaßte, dem alten Kontinent den Rücken zu kehren. Ein Vorfahre aus der
eigenen Verwandtschaft des Verfassers verließ damals mit sechs Söhnen die Heimat.
Weitere Auswanderungen erfolgten dann unter dem Druck der 48/49er Jahre. Aber die
Verbindung mit den Ausgewanderten wurde kaum gepflegt. Sie waren „halt fort nach
Amerika". Nur in etwas verschwommenen Vorstellungen redete man bisweilen von dem
einen oder andern, der drüben „millionisch reich" geworden war.

Zu Hause lebte man dieweil weiter in den engen Grenzen der dörflichen Welt. Der Wille
zur politischen Betätigung und damit zu einer Ausweitung des Gesichtskreises war durch
den Mißerfolg der 48/49er Revolution gebrochen oder zum mindesten zurückgedrängt
worden. Die Geschichte des eigenen Landes war widerspruchsvoll und einer gesunden
Staatsgesinnung wenig günstig. Schließlich war der badische Staat selbst kein geschichtlich
gewachsenes Gebilde, sondern eine Schöpfung Napoleons.

Die innerdeutsche Auseinandersetzung der Führungsmächte Preußen und Österreich
brachte weitere Unsicherheit unter diese Menschen, die einmal vom großen deutschen
Vaterland geträumt hatten. Ohne sonderliche Begeisterung kämpften unsere Landsleute
1866 im Bundesheer gegen Preußen, und die Niederlagen bei Werbach und Hundheim
trugen ihnen wenig Ruhm ein. Preußen als Siegermacht einigte nach Ausscheiden Österreichs
aus dem alten Staatsverband die Deutschen in einem neuen Reich.

37. Der Siebziger Krieg und seine örtliche Nachwirkung

Im Hinblick auf das vorausgehende Kapitel können die folgenden Ereignisse als
Beginn einer Wende angesehen werden.

Der Kriegsanfang wurde in unserer Gegend zunächst mit großer Sorge betrachtet
. Noch war die Erinnerung an die „Franzosenzeit", an Kriegselend und Besatzungsnot
bei der Bevölkerung lebendig. Mancherlei Nachrichten liefen anfangs um,
die den Menschen unserer Ortschaften zum Bewußtsein brachten, daß sie hier, im
Grenzland, in einem alten politischen Gefahrenbereich lebten.

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