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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0223
Druckerei beibehalten wollte." Aber er läßt trotz der freien Sprache noch alle Türen offen,
wenn er schreibt, daß er hoffe, zu allen Zeiten ein nützlicher Bürger und Untertan zu sein.
Als künftiges Tätigkeitsfeld hat er sich eine Spekulationshandlung ausgesucht, die nach
einem Brief von Strobel vom 10. Juni 1790 auf den Handel mit Früchten, Holz, Hanf
und Wein abzielte. Diese Waren hatte er mit Bedacht ausgewählt, denn mit Früchten und
Holz hatte bisher niemand in Kehl gehandelt, mit Hanf aber „nur einigermaßen" der
Seiler Dingel; den Weinhandel hatte seit einiger Zeit niemand betrieben. Strobel kannte
in seiner dienstlichen Stellung die finanziellen Schwierigkeiten Müllers, um so wertvoller
ist seine Charakterisierung: Mit der Spekulationshandlung könne er sich bei rechtzeitiger
Eindeckung mit Waren vielleicht eher als durch die Buchdruckerei aufhelfen, „welches ihm
als einem speculativen und unermüdeten Mann zu wünschen" sei. Müller bittet den
Markgrafen um Gewährung des Bürgerrechtes in Kehl, da er ohnehin sein in Durlach
erhaltenes Bürgerrecht nicht benutzen könne. Er erfreute sich nicht nur der Achtung des
Hofrates Strobel, sondern auch des Wohlwollens des Rates in Kehl, der dem Amt mitteilte
: „Gegen die bürgerliche Annahme des Hofbuchdruckers Müller dahier hat hiesige
Gemeinde nichts einzuwenden, besonders da derselbe schon lange hier wohnt, und niemand
etwas gegen ihn einwenden kann."

Müller associierte sich mit Benjamin Gottlieb Hoffmann, der übrigens am 5. August die
Patenschaft für den Sohn Karl Wilhelm übernahm und zwei Jahre später auch als Pate
für die Tochter Henrietta Louisa auftrat, und betrieb mit diesem gemeinschaftlich eine
Tabakfabrik und einen offenen Laden". Das Betriebskapital besorgten sie sich bei Treut-
tel; am 17. August 1790 unterzeichneten beide den ersten Schuldschein über 6000 Livres.
Offenbar firmierte die neue Gesellschaft mit Benjamin Gottl. Hoffmann und Comp., wie
aus einer Wechselunterschrift hervorgeht. Die französische Kriegserklärung vom 20. April
1792 an Österreich ließ es geraten erscheinen, den Standort der Fabrik zu wechseln.
Hoffmann sollte den Laden in Kehl fortführen, und Müller wollte ihn von Rastatt aus,
wohin die Tabakfabrik verlegt werden sollte, mit Waren versorgen. In einem Schreiben
vom 19. September 1792 an den Markgrafen versichert er, daß er dort nur Tabak verkaufen
wolle oder nur solche Artikel, die dort kein Krämer verkaufe. Diese Erklärung
war bitter notwendig, wie wir gleich sehen werden. Wie immer, war man in Karlsruhe
Müllers Vorhaben günstig gesonnen; Ende August 1792 erwiderte man dem Oberamt
Rastatt, daß man keinen Anstand habe, dem Bittsteller Hoffreiheit zu gewähren. Das
Privileg zu Kehl für die Tabakfabrik beinhalte allerdings keinesfalls die Genehmigung,
den Tabakhandel daselbst en detail zu betreiben. Aber die Rastatter wehrten sich energisch
gegen den beantragten Freihandel mit Tabak und wendeten u. a. ein, daß Müller
sich bei Gewährung von freiem Wohnsitz und freiem Handel besser stelle als die Einwohner
. Überdies sei die Ubersetzung im Handel groß genug78. Der starke Protest ließ
es Müller wohl geraten erscheinen, sich nach einem anderen Ort umzusehen; er möchte
nun seine Fabrik nach Gernsbach verlegen und ferner die Konzession, uneingeschränkt
mit allen Waren handeln zu dürfen. Gernsbach zog er vielleicht in Erwägung, weil dort
seit 1791 Posselt als Amtmann wirkte. Zur Kennzeichnung der Persönlichkeit Müllers mag
wiederum die Wertschätzung dienen, die er seitens des Hofes auch nach Aufgabe des
Gymnasium-Verlages erfährt: Die Regierung weist im September 1792 das Amt Kehl an,
ihm beim Wegschaffen der Waren schleunigst behilflich zu sein, gegebenenfalls solle man
sich auch beim Kaiserl. Königl. Heer nachdrücklichst für ihn verwenden. Die bürgerliche
Niederlassung wurde ihm auf „speyerisches Mitbelieben" und unter der Voraussetzung

77 Bad GLA 207/231: Betr. Die Tabaks Fabrique des Johann Gottlieb Müller des älteren zu Kehl — 1792.

78 Irreführend war der Hinweis der Rastatter: „Da sich aber der Supplicant in einer äußerst mißlichen
Lage befinden soll, so wäre für ihn außer Lahr keine andere Gegend gedeihlicher. Von dort stammt er
ab, da genießt er Freiheit von allen Beschwerden, und ist der Kanonen Gefahr weniger ausgesetzt."
Da in Lahr ein Kaufmannsgeschlecht Müller heimisch war, wurde der Bemerkung nachgegangen, doch
konnte das Stadtarchiv Lahr, das die Nachprüfung freundlicherweise durchführte, keinen Zusammenhang
feststellen (20. 10. 69).

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