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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
55. Jahresband.1975
Seite: 131
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der Weiber und Töchter noch Früchte und Gewächse auf dem Feld kaum noch
sicher seien. Für die Töchter des Landes besaßen die Vergnügungen in Euenheim
offensichtlich einige Anziehungskraft, denn die Vorgesetzten von Tutsch-
felden und Broggingen meldeten, daß nicht nur ledige Männer und Weibspersonen
, sondern auch Weiber der dortigen Gegend an Sonn- und Feiertagen
nach Ettenheim und Umgegend zögen, „woher bei den jungen Burschen mißliebige
Händel, bei den Weibsleuten aber Sittenverderbnis, Verführungen zu
besorgen stehen." Das Amt wies deshalb die Gemeinden an, das zu unterbinden;
ledige junge Leute sollen bei Übertretungen bestraft werden, die Ledigen mittels
Stockstreiche, die Verheirateten mittels Eintürmung.

Ob das Problem mit Ordnungsmaßnahmen gelöst werden konnte, darf bezweifelt
werden. Wenn man die Erfahrungen in anderen Emigrantenzentren in
Betracht zieht, kann man annehmen, daß es sich bei dem in den Akten vermerkten
Fall, wonach eine Bürgerstochter aus Kippenheim, die im Lager mit
Obst handelte, schwanger und venerisch angesteckt wurde, um keinen Einzelfall
handelte. Der Kanzleidirektor der kaiserlichen Gesandtschaft in Koblenz,
J. v. Hertwich, vermerkte am 9. Februar 1792 zu diesem Thema: „Das Sittenverderbnis
nimmt an den Orten, wo die Aristokraten so häufig sind, sehr zu.
In den Städten will man viele angesteckte Mädchen zählen. Vielleicht wird das
Andenken erwirkt, daß man die Krankheit künftig die aristokratische benennt
G8." Manches „freudige" Ereignis wird zu Mißhelligkeiten geführt haben,
berichtet doch das OA Mahlberg am 30. Januar 1792, daß sich im Ettenheimer
Oberamt etwa dreißig Weibspersonen als schwanger bekannt haben sollen und
sich eine Ettenheimer Bürgerstochter wegen Kindsmordes im Gefängnis in
Untersuchung befand.

Mirabeau-Tonneau in Kehl

Mirabeau hatte sich in Kehl niedergelassen, wo er den Lieferanten, Schneidern
, Abbes, Offizieren und Freudenmädchen, die über den Rhein kamen, Gehör
schenkte, um zu verhandeln, sich zu verschwören oder sich mit ihnen zu
amüsieren ••. Kehl war der geeigneteste Ort für Kontakte über den Rhein,
und die Passage war überall so frei, daß sogar französische Offiziere und
Geistliche nach Weisweil kamen, um ihren Wein zu trinken, wie das OA Hochberg
am 17. Oktober berichtete. Feldgeistliche und unzufriedene Elsässer kamen
so auch nach Kehl, um zuerst bei Pfarrer Stebel die Messe zu hören und anschließend
auf das Wohl von Mirabeau zu trinken. Mirabeau wohnte bei Faber
im „Goldenen Apfel", dem Lokal der Aristokraten, während die Demokraten
den „Goldenen Adler" von Frau Oberlin besuchten oder dort logierten. Zwischen
beiden Parteien kam es laufend zu Streitigkeiten, so daß Rudolphe de
Rochebrune dem Minister von Edelsheim vorschlug, den einzusperren, der zuerst
mit Beleidigungen begann, doch wurde seinem Ansuchen nicht stattgegeben
. Der „Goldene Apfel" als Stammlokal der Gegenrevolutionäre vor den
Toren Straßburgs wurde zum politischen Ärgernis für den Straßburger Magistrat
, der sich über den französischen Gesandten Maisonneuve in Karlsruhe
wegen des Wirtes beschwerte. Der Gesandte ersuchte den Minister v. Edelsheim
, den Wirt wegen seiner Hetze gegen Frankreich zurechtzuweisen, was
Edelsheim auch bereitwillig tat70.

Ein aufregender Dezember

Am 23. Oktober zogen gegen 500 Mann aus dem Lager nach Ettenheimmünster,
wo sie im Badhaus zu Sankt Landolin einquartiert wurden, sehr gegen den
Willen des Konvents. Der Prälat war vorher um sein Einverständnis ersucht
worden. Als er erwiderte, er selbst sei damit einverstanden, aber das Kapitel

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