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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0071
In Erlers Illustrationen spiegeln Haltung und Mimik der dargestellten Romanfigur
, meist des Simplicissimus selbst, den Erlebnisgehalt der Romanschilderungen
. Nur wenige Angaben zur Situation weisen auf die konkreten
Erzählfakten.

Am Anfang und Schluß stehen zwei Männergestalten mit durchdringendem
Blick. Wen stellt das Titelbild dar? (Abb. 3). Grimmelshausen gab
seiner Ausgabe des Simplicissimus Teutsch von 1668/69 ein emblemartig
verschlüsseltes Titelkupfer mit vielschichtigen Aussagebezügen, ein Denkbild
(Abb. 28); Erlers Seher, ausschnitthaft auf das Gesicht konzentriert,
mit dem niedergehenden Kometen über der noch heilen Landschaft und
Stadt, mit seinem schweren Ernst stellt eine persönliche ausdrucksstarke
Interpretation zur Grundkonzeption des Romans dar; ob sie Grimmelshausens
Intentionen gerecht wird, wäre zu diskutieren. Die Versicherung
an den Leser auf dem alten Titelblatt Überaus männiglich und lustig zu
lesen steht zu ihr jedenfalls in Widerspruch. Der Seher Erlers entspricht
eher der Autorenaussage der kleinen Vorrede der Continuatio, die Grimmelshausen
erst 1671 seinem Roman hinzufügte, und die heute allgemein
als 6. Buch bezeichnet wird. Dort heißt es:

Wenn sich jemand einbildet, ich erzähle nur darum meinen Lebenslauf,
damit ich einem und anderem die Zeit kürzen, oder wie die Schalksnarren
und Possenreißer zu tun pflegen, die heut zum Lachen bewegen
möchte, so findet sich derselbe weit betrogen! denn viel Lachen ist mir
selbst ein Ekel, und wer die edle ohnwiederbringliche Zeit vergeblich hinstreichen
läßt, der verschwendet diejenige göttliche Gab ohnnützlich, die
uns verliehen wird, unser Seelen Heil in und vermittelst derselbigen zu
wirken.

Erlers 20 Illustrationen beziehen sich jedoch nur auf die ersten fünf Bücher
. Sie sind erstmals relativ gleichmäßig über den Text verteilt und enden
mit dem Bild des alten Simplicissimus als Einsiedler mit der Axt auf
den Knien und dem visionären Blick, der das Adieu Welt, das Leben ...
ist eine Pilgerfahrt des letzten Kapitels des 5. Buches zum Ausdruck zu
bringen scheint (Abb. 6).

Es ist bezeichnend, daß für Erler, der den Roman — wie seine Illustrationen
bezeugen — gut gekannt hat, damit endet. Alle seine Radierungen
behandeln ein Grundthema: die Betroffenheit des Menschen durch das
Schicksal, dem er ausgeliefert ist, nicht hilflos aber es nur mühsam und
mit Kraftanstrengung bewältigend. Weder der Knabe Simplex einsam im
Wald noch der Beau Alman in Paris — um nur zwei Beispiele herauszugreifen
— sind trotz realistischer Stilmittel Übertragungen des Textes in
eine schildernde Illustration (Abb. 5).17 Erler macht den jeweils für ihn
entscheidenden Zustand des Romanhelden in einer expressiven Haltung
deutlich. Der junge Simplex, aufrecht wie ein „deutscher Baum", blickt
dem Schicksal entgegen; der ausgenutzte Beau Alman liegt ermüdet er-

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