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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0092
Darin macht sich ein erstaunlich kritischer Ton geltend; die Sonne des
Herrschers von Gottes Gnaden verbreitete nicht nur Licht, sondern auch
Schatten. Mehr Schatten als Licht: über die menschenverachtende, ausbeuterische
Politik der deutschen Fürsten des 18. Jahrhunderts, die so
kostspielige Projekte wie das Rastatter erst möglich machte, ist an anderen
Stellen schon genug gesagt worden.26 Sie ermöglichte nicht nur die
Errichtung, sondern auch die Erhaltung des Hofes — jeder davon, auch
der Rastatter,27 war ein in sich vollendetes Ganzes, mit (nur beispielsweise
) Hoftheater, Hofkapelle, Hofkapellmeister, Hofsänger, Hofmaler,
Hofdrucker, Hofprediger, Hoforganist, Hofbildhauer, Hofarchitekt, Hofgärtner
... die Aufzählung käme zu keinem Ende. Licht und Schatten
also auch in der Residenz Rastatt, mit ihrem sonnenförmigen Grundriß;
und so gilt auch für sie das zweischneidige Urteil: „Diese kleinen Residenzen
haben gewiß viel Gutes getan für die allgemeine Bildung in Deutschland
, sind kleine Kulturzentren gewesen (. . .). Aber ich weiß nicht, ob
nicht der Schaden, den sie angerichtet haben, indem sie mit der Kultur
die allgemeine Servilität und Rückgratsverkrümmung in Deutschland auf
das wirksamste gefördert und wie Pestzentren auf das platte Land und
in die Provinz verbreitet haben, noch viel größer gewesen ist. Sie haben
die Kultur gefördert, aber den Menschen gebrochen. Die Jämmerlichkeit
des deutschen Bürgertums ist zum großen Teil auf die intensive Förderung
der Servilität durch die vielen deutschen Höfe zurückzuführen. (...)
Deutschland verdankt es seinen Fürsten, daß es das gebildetste, aber
rückgratloseste Volk Europas ist." 28

Das kulturelle Leben der kleinen Residenz war also in jeder Hinsicht
teuer erkauft; um so schlimmer, daß es sich in Rastatt nicht fortgepflanzt
hat, und am schlimmsten, daß sogar das Zentrum, von dem es (mit jenem
dem Plan selber abgelesenen Ausdruck:) ausstrahlte, der Zerstörung
preisgegeben war — und ist. Von dem unvergleichlichen Ensemble aus
Schloß, Park und Stadt hat sich nur das erste leidlich erhalten; seine
ehedem prunkvolle Einrichtung zwar bleibt in alle Winde zerstreut, doch
das Gebäude, welches seit dem 19. Jahrhundert als Garnisonsmagazin und
manches andere dienen mußte, zeigt sich nach einer langwierigen und
aufwendigen Restaurierung nun endlich erneut in seiner ursprünglichen
Gestalt.

Bleibt der Park. Aus ihm wurde ein Nutzgarten, dann ein Exerzierplatz,
und die Spuren solcher Zweckentfremdung hat auch sein Ausbau zur
öffentlichen Anlage nicht mehr ganz verwischen können; zumal sich dieser
wirklich keine besondere Mühe machte. Ein paar Rasenflächen, deren
größte sogar die historische Mittelachse überdeckt und so mißachtet; ein
paar Blumen, Brunnen und Bänke; dazu die gesammelten Kriegerdenkmäler
von Rastatt, die man besser vergißt: das ist der traurige Rest.
(Noch kürzlich geschah es dem Besucher, daß er dort sensenschwingenden

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