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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0216
Domestiken und urteilt im Februar 1802 zusammenfassend: „Überhaupt aber
sind die Dienstleute seit mehreren Jahren sehr verwöhnt; träg, ungehorsam,
ungenügsam und trotzig. Dabei so kostbar, daß manche Bauern selbe am Ende
nicht mehr bezahlen können. Und auch uns wird es hart, die so sehr angewachsenen
Löhne zu bestreiten. Der Auszug ist die Folge."

Aber nicht nur Bauern und Taglöhner traten selbstbewußter auf, auch im
Bürgertum sah man seine Zeit gekommen. Was geistig in einem Jahrhundert,
das zum Inbegriff des Zeitalters der Aufklärung wurde, herangereift war,
drängte zum Durchbruch; verständlicherweise unter scharfer Ablehnung durch
den Prälatenstand:

„Der mittlere Stand, man könnte fast sagen, der Stand der Literaten, gelehrt
sind sie doch eigentlich nicht, die Professoren, Advokaten, Schreiber, auch ein
großer Teil neumodischer Geistlicher ist eigentlich der Religion gefährlich, die
Klasse der Bücherschreiber vordersamt. Diese ganze Klasse scheint wissentlich
oder unwissentlich in den großen geheimen Bund verwebt, der am Untergang
der Religion und des Staates arbeitet.79

Die Stoßrichtung im Volke liegt klar zu Tage: der Haß richtet sich gegen den
Adel und den Prälatenstand, gegen die Uberreste des Feudalismus. Und bei
allen Anlässen bekommt der Abt die tiefe Abneigung gegen die Klöster zu
spüren, so daß er am 9. Oktober 1797 resigniert feststellt: „Traurig ist es immer
, wenn bei gegenwärtiger Spannung, wo es scheint, daß die Säkulargeistlichkeit
, die Universitäten und fast alle weltlichen Behörden den Klöstern und
Stiften entgegenarbeiten, ihren Sturz und Untergang heimlich und öffentlich
suchen."

Wenn Bauern in Hinterstraß im aufgespeicherten Haß drastisch forderten:
„Schlaget Pfaffen und Obrigkeiten tot!", so kam es auch gelegentlich sogar
bei Gelehrten der theologischen Fakultät zu Ausbrüchen von Geringschätzung.
Als Rektor Wanker am 9. Oktober 1797 auf einem Konsistorium behauptet, daß
der Prälatenstand nur die Universität bei Kontributionen in Mitleidenschaft
ziehen wolle, schimpfte Professor Schwarzel in diesem Zusammenhang „wie
ein besoffener Bauer über die Prälaten" und nannte sie Spitzbuben. Ernsthafter
waren die Bestrebungen, den Dritten Stand von den beiden anderen zu
trennen. Wenngleich dies auch verhindert werden konnte, so nahm der Dritte
Stand wenigstens für sich in Anspruch, daß die prälaten- und ritterständischen
Untertanen, also alle Bürger und Bauern, zu ihm gehörten,80 und er versäumte
bei der Verteilung finanzieller Lasten nicht den Hinweis, „daß es der Wille der
französischen Nation sei, die zween ersten Stände strenger zu behandeln, und
dabei müsse geblieben werden." Und wie ein roter Faden zieht sich durch das
Tagebuch die Anklage: „Wenn es nicht die Absicht der Franzosen selbst ist,
die Geistlichkeit und den Adel zu ruinieren, so wird es ihnen zur Absicht gemacht
; sie werden durch Inländer selbst dazu geleitet." 81

Abt Speckle kann mit seinen zeitgenössischen Betrachtungen geradezu als
Kronzeuge dafür gelten, wie weit die Bereitschaft zu einem Umsturz der bestehenden
Ordnung gediehen war:

„Der dritte Stand ist nicht ganz frei von Neid gegen die zween anderen. Der
Adel ist gehaßt und verachtet, der Prälatenstand vielleicht etwas weniger verachtet
als der Adel, aber desto mehr beneidet, und der Dritte Stand scheint
glauben zu wollen, sein Glück auf den Sturz der beeden andern gründen zu
können." 82

Aber der Abt sieht nicht nur den Geist der Zwietracht unter den verschiedenen
Ständen, nicht nur zwischen Adel und Volk, zwischen den Geistlichen und

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