Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 61
(PDF, 70 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0063
ähnlich (ohne das „von Grimmelshausen") ist im dritten Jahr des 30jährigen
Krieges geboren. Sein Geburtsort Gelnhausen, eine mäßig große Stadt, liegt im
Tal unweit vom Spessart an der „Straße des Reichs", etwas östlich von Frankfurt
am Wege nach Leipzig. Vater und Großvater sind als Bäcker und sonst in
bürgerlichen Berufen tätig gewesen. Bereits der Großvater scheint den Adel
abgelegt zu haben. Nach dem Tod des Vaters heiratet die Mutter ein zweites
Mal, diesmal einen Balbierer, Sohn eines Frankfurter Buchhändlers. Ob dies
für den Jungen etwas bedeutet, wissen wir nicht, jedenfalls kommt er auf die
Lateinschule in Gelnhausen, was ihm — auch wenn er kein Akademiker wurde
— den Zugang zu einer reichen Bildungswelt eröffnet.

Nach der Schlacht bei Nördlingen, in der die bis Süddeutschland vorgedrungenen
Schweden geschlagen werden, eskaliert der Terror des Krieges, wie fast
immer in späteren Phasen nach Schlag und Gegenschlag. Dörfer und Städte
werden verwüstet, Gelnhausen wird zerstört, man flieht in die nahe Festung
Hanau, wo der Oberst Ramsay als schwedischer Gouverneur residiert.

(Übrigens vollzieht sich damals fast das gleiche hier in der Ortenau: etwa zur
selben Zeit flieht der gleichaltrige Quirin Moscherosch — Bruder des bekannten
Dichters und Vorläufers von Grimmelshausen — aus seinem Heimatort
Willstätt nach Straßburg. Man flüchtet sich, soweit man noch kann, hinter die
Mauern der Städte.)

Der ungefähr vierzehnjährige Christoffel bleibt nicht lange in Hanau. Kroaten
entführen ihn von den zugefrorenen Festungsgräben, lassen ihn dienen und
plündern. Er scheint zu den Hessen gekommen zu sein, dann zu den Kaiserlichen
bei Magdeburg, in das Getümmel der Schlacht bei Wittstock, zu deren
berühmter Schilderung er später freilich mehr — und darin liegt ein Teil seiner
Meisterschaft — eine Stelle aus einem Roman des vorangehenden Jahrhunderts
verwendete.

Er streift und lagert mit den Truppen in Westfalen und, wie Sie wissen, am
oberen Rhein. Die längste Zeit des Krieges verbringt er in der Festung Offenburg
, die der Oberst Hans Reinhart von Schauenburg hartnäckig gegen alle
Angreifer verteidigt. Christoph wird noch Sekretär und macht bei einem anderen
Regiment den Donaufeldzug mit. Als der Krieg endet, ist er 27 Jahre alt.
Er heißt jetzt „von Grimmelshausen" wie seine Vorfahren, führt aber in der
Notzeit der Nachkriegs jähre eine kleine bürgerliche Existenz als Verwalter,
Pferdehändler, Burgvogt, Wirt und Schultheiß eines verarmten Dorfes.

Ein Lebenslauf wie viele andere. Natürlich vagierten und hausten damals
Millionen von Menschen als Flüchtlinge oder Soldaten oder beides. Kleine und
große Schriften berichteten von wichtigeren Lebensläufen, abenteuerlicheren,
erfolgreicheren oder tragischeren Schicksalen; gelehrte Männer gab es in großer
Zahl.

Was hat der Dichter aus diesem eher alltäglichen Schicksal gemacht?

Zunächst: Er hat die Biographie verwandelt. Der Simplicissimus ist kein Kind
aus der Stadt und besucht keine Schule. Er wächst auf in der Einsamkeit eines
ungeheuren Waldes. Er weiß nichts von Gott, von Leuten und vom Krieg. Alles
beginnt auf der tiefstmöglichen — eigentlich einer unmöglichen — Informationsstufe
, sein Geist ist eine „tabula rasa". Simplex, der noch keinen rechten
Namen hat und zunächst noch nicht einmal diesen Behelfsnamen trägt, kennt

61


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0063