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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 198
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zeit des Klosters her.9 Innerhalb dieses Bereiches, der gerade für die Gengenbacher
Bürger interessant, weil naheliegend war, besaß also nur die Abtei das
Fischrecht. Immer wieder ließ sich das Kloster seine Fischereirechte von deutschen
Kaisern und Königen bestätigen. Ähnlich verhielt es sich mit den übrigen
Allmenden: Dem Kloster gehörten zwei Drittel der gemeinen Wälder, dazu
ausgedehnte Forstbezirke im Bereich der drei Reichsstädte.

Besonders hart waren für die Bürger die Leibfälle, die sie bei den verschiedensten
Anlässen zu entrichten hatten, sowie die rigorose Anwendung des
Zehntrechts. Abwanderung und Verödung der Stadt waren die Folge, so daß
Gengenbach zu Ende des 15. Jahrhunderts nahezu an den Abgrund geriet.10

Zu diesen Streitpunkten trat in Gengenbach noch die Besetzung der städtischen
Pfarrei St. Martin hinzu. Die Pfarrkirche war Eigenkirche des Klosters, der Abt
hatte auch hier das Besetzungsrecht und versah die Pfarrei meist mit Welt-
geistlichen. War das Verhältnis der städtischen Weltgeistlichkeit zu den Bürgern
im allgemeinen gut, so sind die Beziehungen jener zum Kloster wiederholt
von bitterer Feindschaft gekennzeichnet gewesen. Die finanzielle Abhängigkeit
des Pfarrherrn vom Kloster — dieses erhielt den Zehnten, während der Pfarrer
sich mit einer geringen Besoldung zufrieden geben mußte — scheint hier eine
gewichtige Rolle gespielt zu haben, was wir ähnlich auch zu Beginn der Reformation
in Gengenbach feststellen können.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Die dem Kloster bei der Gründung und in
der Folgezeit gewährten und immer wieder erneuerten Rechte und Privilegien
griffen tief in das Leben der drei kleinen Städte ein. Das Kloster suchte dabei
seine Ansprüche rigoros durchzusetzen, während die Reichsstädte im Zuge der
allgemeinen Stadtentwicklung im Spätmittelalter und ihrem dadurch wachsenden
Selbstbewußtsein die Privilegien des Klosters mehr und mehr einzuschränken
versuchten mit Hilfe eigener Privilegien.11 Die Gengenbacher Bürger, die
mit dem Kloster auf engem Raum innerhalb der Stadtmauer zusammenlebten,
waren besonders betroffen von der vor ihren Augen sich auftuenden Ungleichheit
. Weil das Verhalten des Klosters gegenüber den Bürgern eher aggressiv
als besänftigend war, ist diese Vielzahl von Streitfällen wenigstens teilweise
erklärbar. Um es mit Baumgarten zu sagen: „Der Kampf des Klosters für seine
Privilegien und ihre Erweiterung einerseits, der Stadt gegen die lästigen Ansprüche
andererseits, das ist es, was den Hauptinhalt Gengenbacher Geschichte
ausmacht." 12

II. Überblick über den Verlauf der Reformation in Gengenbach bis zum
Interim

1 Kirchliche und religiöse Verhältnisse am Vorabend der Reformation

Seit den Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts in Konstanz und Basel war der
Ruf nach „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern" unüberhörbar geworden
." Landesherrliche und städtische Obrigkeiten begannen jetzt innerhalb

9 „piscatio in aquis tarn in fluentibus quam in paludibus a loco qui dicitur Wigenstein usque Velle-
turli cenobio Gengenbacensi adiudicatur", zit. bei Krieger, Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums
Baden, Bd. II, Sp. 1135.

10 Kuner, a.a.O. S. 100; vgl. auch A. Störmann, Die städtischen Gravamina gegen den Klerus, Münster
1916, S. 71, Anm. 2.

11 W. Andreas, 600 Jahre Reichsstadt Gengenbach, in: ZGORh 108 (1960) S. 300, spricht von einem
„Verselbständigungsprozeß der Stadt Gengenbach", der aus der „ursprünglichen Verbindung mit dem
Benediktinerkloster" resultiere und für viele Reichsstädte typisch sei.

12 F. Baumgarten, Bilder aus Gengenbachs Vergangenheit, in: Schauinsland 20 (1893) S. 16.

13 Vgl. zum Ganzen: Handbuch der Kirchengeschichte, hg. v. H. Jedin, Bd. 4: Reformation, Kathol.
Reform und Gegenreformation, Freiburg 1967; W. P. Fuchs, Das Zeitalter der Reformation, in:
B. Gebhardt, Handbuch der dt. Geschichte, dtv-Ausgabe Bd. 8, München 1973, S. 51—58; E. Iserloh,
Luther und die Reformation, Aschaffenburg 1974, 1. Kapitel: Die Ursachen der Reformation, S. 7—27;
R. Bäumer, Die Voraussetzungen der Reformation, in: Kottje/Moeller, ökumenische Kirchengeschichte,
Bd. 2, Mainz/München 1973, S. 277—283.

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