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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 212
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verwenden und dürften nicht vom Konvent selbst verbraucht werden. Die
Güterfälle des Klosters seien abzuschaffen, das Recht, Stadtschultheißen und
Oberboten zu ernennen, dem Rat abzutreten.

Der — hier grob skizzierte — Katalog von Forderungen zog jahrelange zähe
Verhandlungen mit dem Kloster nach sich. Die Abtei wies alle Ansprüche der
Stadt an das Kloster mit dem Hinweis ab, daß nicht sie es sei, die die Rechte
der Stadt beschneide, sondern daß vielmehr die Bürgerschaft die Privilegien
und Freiheiten des Klosters in Frage stelle. Die Unterwerfung des Klosters unter
eine fremde Obrigkeit sei rechtlich nicht zulässig.

Inzwischen waren auch Beschwerden und Forderungen der beiden Gengenbacher
Nachbarstädte Offenburg und Zell an die Abtei hinzugekommen, die
hauptsächlich Zinsen, Zoll, Fälle u. ä. betrafen. Mehrmals mußte ein neutrales
Gericht Entscheidungen fällen, die aber den Gengenbacher Rat nicht zufriedenstellten
, so daß der Streit im Jahre 1529 noch nicht abgeschlossen war.90

Daß Gengenbach keine Ausnahme mit seinen Forderungen gegenüber dem Klerus
bildete, liegt auf der Hand. Seit Beginn der reformatorischen Bewegung
kam es vielerorts zu Empörungen gegenüber dem Klerus wegen solcher Verpflichtungen
, deren Abschaffung heftiger denn je begehrt wurde. In Straßburg
verfügte der Rat z. B. die Zinsablösung im Jahre 1523.91

Betrachtet man die Forderungen des Gengenbacher Rates vor dem Hintergrund
Gengenbacher Geschichte, so kann man feststellen:

1. Das Verhalten des Rates ist geprägt vom Jahrhunderte dauernden Streit
zwischen Kloster und Stadt.

2. Da die reformatorische Bewegung die bisherige geistliche Autorität und Obrigkeit
in Frage stellte oder ablehnte, bot die Hinwendung zu dieser Bewegung
für die Stadt die Möglichkeit, sich der hergekommenen, lästigen, finanziellen
und wirtschaftlichen Verpflichtungen und Abhängigkeiten gegenüber dem Kloster
zu entledigen.

3. Die Tatsache, daß die Stadt sich das Kloster unterordnen und die von ihr
angestellten Prädikanten aus Klostermitteln versorgen wollte, erklärt sich wohl
auch aus dem Bestreben der spätmittelalterlichen Stadt, ihre Kompetenz auf
geistliche Gebiete auszudehnen.9^

4. Das Kloster stellte wegen seiner Privilegien und Freiheiten einen „Fremdkörper
im geschlossenen Stadtbereich" dar, den es auszuschalten galt."

5. Die geistliche Gerichtsbarkeit war, wie in vielen anderen Städten, auch in
Gengenbach immer wieder Anlaß zu Differenzen mit Bürgern und Stadtregierung
.94

IV. Die Gengenbacher Evangelische Kirchenordnung von 1538

2. Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts

Nachdem bereits im 15. Jahrhundert städtische oder territoriale Obrigkeiten
„Aufsichts- und Eingriffsrechte" in kirchliche Belange errungen hatten und
so eine wesentliche Grundlage für das Landeskirchentum gelegt worden war,
erhielten die evangelischen Reichsstände und freien Reichsstädte durch den
Beschluß des Speyerer Reichstages von 1526, der den Reichsständen ermöglichte,
kirchliche Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen, relativ große Freizügigkeit
. Weltliche Obrigkeiten konnten jetzt in ihrem Herrschaftsgebiet die

90 Frank, ebd. S. 15 u. 8.

91 Störmann, Gravamina, a.a.O. S. 73 und 87—88.

92 Vgl. G. Pfeiffer, Das Verhältnis von politischer und kirchlicher Gemeinde in den deutschen Reichsstädten
, in: W. P. Fuchs (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, Stuttgart 1966, S. 82 f.

93 Vgl. Becker, a.a.O. S. 85—86.

94 ebd., S. 86.

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