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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 217
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und die Kirchenordnung erst vor zwölf Jahren entdeckt wurde, so daß sie von
keinem der Autoren, die über die Gengenbacher Reformationsgeschichte gearbeitet
haben, außer von Kohls, herangezogen werden konnte.

Im einzelnen läßt sich folgendes feststellen:

Die Reformation war in Gengenbach bis zum Jahre 1538 recht weit vorangekommen
, was schon das Faktum der Kirchenordnung belegt. Aber es gab auch
noch erhebliche Mißstände, vielleicht sogar große Verwirrung im Volk hinsichtlich
der neuen Lehre, bzw. der Abstoßung alten, kirchlich-religiösen Brauchtums
, so daß eine einheitliche Ordnung geradezu notwendig wurde. Das Leben
in der Reichsstadt mußte nach den turbulenten Jahren der Einführung der Reformation
wieder normalisiert werden, um den Bürgern zu sagen, wonach sie
sich zu richten haben, um deutlich zu machen, was ab jetzt gilt. An Ruhe und
Ordnung in der Stadt mußte der Rat jedenfalls ein fundamentales Interesse
haben.

Neben vielen anderen ist auffallend, daß es noch immer Anhänger der alten
Messe gibt, die nun vor die Entscheidung gestellt werden, entweder von der
„bapstmeß" abzulassen oder vom Rat eine Strafe zu erwarten. Der Anhänger
der alten Lehre soll öffentlich unterdrückt werden, obwohl der Rat zu Beginn
der Kirchenordnung erklärte, daß er über niemands Glauben Herr sei.105

In den zur Gengenbacher Gemeinde gehörenden Seitentälern sind die Menschen
weniger für die Reformation aufgeschlossen als in der Stadt selbst. Sie
unterliegen nicht direkt der Beobachtung und Kontrolle durch den Rat.

Ganz besonders deutlich wird die enge Beziehung der Prädikanten zum Rat.
Die Prediger erscheinen dabei in einem Abhängigkeitsverhältnis: Sie sind dem
Rat untergeordnet, von dem sie Anstellung und Besoldung erhalten, und bitten
diesen als „Vnderthenige diener" um eine Kirchenordnung. Zugleich sind sie
einer möglichen Bestrafung durch den Rat unterworfen, der unumschränktes
Aufsichts- und Prüfungsrecht in allen kirchlichen Angelegenheiten hat. Die Allmacht
des Stadtmagistrats wird gerade in der Kirchenordnung deutlich.

Wenn man berücksichtigt, daß die Initiative zur Kirchenordnung von den Prädikanten
ausging und auch manche theologischen Begründungen in der Kirchenordnung
zu finden sind, so muß man auch religiöse und pastorale Beweggründe
im Zusammenhang mit der Entstehung der Gengenbacher Kirchenordnung
sehen.106

V. Die Rolle des Grafen Wilhelm von Fürstenberg als Landvogt
der Ortenau

1. Zur Biographie

Die historische Persönlichkeit des Grafen Wilhelm von Fürstenberg 1(>7 zu erfassen
, bereitet Schwierigkeiten: Der in vielen Handlungen und Absichten sicht-

105 Kohls, Evangel. Bewegung, a.a.O. S. 14, sieht mit dieser Erklärung des Rats die Auffassung widerlegt
, daß die Magistrate mit dem Erlaß ihrer Kirchenordnungen den Bürgern und Untertanen die
Glaubensentscheidungen abgenommen hätten.

Die Androhung von Repressalien durch den Gengenbacher Rat steht Kohls Meinung jedoch entgegen.

106 Wenn Kohls, ebd. S. 11, allerdings die „Ursache für alle kirchenordnenden" Maßnahmen der Gengenbacher
Kirchenordnung in religiösen und theologischen Motiven sieht und für ihn die „evangelische
Bewegung" der „eigentliche Quellort . . . der vom Rat erlassenen Gengenbacher Kirchenordnung
schlechthin" ist, dann berücksichtigt er m. E. nicht genügend die ordnungspolitischen Gesichtspunkte
und die machtpolitischen Interessen des Rates, die in der Gengenbacher Kirchenordnung eben auch
zum Ausdruck kommen.

107 Vgl. über ihn: Thoma, a.a.O. S. 21—23; F. Baumgarten, Der wilde Graf und die Reformation im
Kinzigtal, Halle 1895, bes. S. 4—8 u. 17—27; besonders aber auch die ausführliche, auf archivali-
schem Quellenmaterial beruhende Biographie Wilhelms von J. V. Wagner, Graf Wilhelm von Fürstenberg
1491—1549 und die politisch geistigen Mächte seiner Zeit, Stuttgart 1966.

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