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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 222
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der Graf 1540 dem König Ferdinand weiszumachen versuchte, kann also keine
Rede gewesen sein.

So erfahren wir aus einem Brief des Straßburger Bischofs vom 27. Januar 1540,
daß der Graf den Pfarrer von Achern aufgefordert habe, sich „zu Doctor Hedio
gen Straßburg" zu begeben, um sich „examinieren" zu lassen, „ob er zu versehung
derselben pfarr tuglich oder nit". Der Bischof stellte dem entgegen, daß
jener Pfarrer seit „er die priesterlich würde empfangen, examiniert" sei. Den
Pfarrer von Appenweier habe der Graf durch einen neuen ersetzt und damit
begründet, daß die alte christliche Ordnung erhalten und wieder gepflanzt
werde.129

Mit seinem Einspruch erreichte der Bischof natürlich nichts. Der Graf vergab
sogar noch im gleichen Jahr die klostereigenen Pfründen Gengenbach, Zell am
Harmersbach, Biberach Nordrach, Griesheim, Appenweier und Ichenheim an
evangelische Prädikanten, während die katholischen Priester ihren Platz räumen
mußten.130

Im Jahre 1541 war die Reformation in der Ortenau in der Hauptsache zu ihrem
Ziel gekommen. Jetzt wandte sich der Graf seinem neuen Herrschaftsgebiet
Kinzigtal zu, das er von seiner 1540 verstorbenen Mutter geerbt hatte und von
der Reformation bisher kaum berührt war. Obwohl er bei der Erbteilung seinem
Bruder Friedrich versprochen hatte, in Religions- und Glaubenssachen niemanden
zu nötigen,131 mußten doch bald die katholischen Pfarrer von ihren
Pfarreien weichen, von Prädikanten verdrängt. Der Graf hatte sein Versprechen
nicht gehalten, sondern sogleich mit der Reformierung des Landes „von
oben herab" begonnen.132

Ein wichtiges Aktenstück von der Reformation in der Ortenau und im Kinzigtal
stammt vom 31. Mai 1542, als die evangelischen Prediger am Ende einer
Versammlung in Haslach eine Resolution an den Grafen Wilhelm richteten.
Darin schilderten sie die Lage der Reformation in ihrem Gebiet, die sehr verworren
und voller Mißbräuche zu sein schien.133 Graf Wilhelm baten sie um
obrigkeitliche Unterstützung und machten konkrete Vorschläge für Organisation
und Visitation der Gemeinden sowie Schaffung einer Kirchenordnung.

Schon bald darauf, am 24. Juni 1542, gab der Graf eine Anordnung an seine
Beamten.134 Darin wurden zunächst nur Besetzungs- und Besoldungsfragen für
Prädikanten und Schulmeister geregelt.

Am 1. Januar 1543 erließ dann der Fürstenberger entsprechend der landesherrlichen
Kirchenpolitik die Kinzigtaler Landesordnung, die viele kirchliche Bestimmungen
enthielt.135 Ausgehend von der Tatsache, daß er „das heilig evan-
gelion und wort gottes" in der Herrschaft „Kinzigtals mit allem ernst getrewlich
zu predigen bevolhen", gebot er nun jedem Untertanen, „all sontag und fyrtag"
die Predigt zu hören. Niemand dürfe „an frembden orten die mess besuochen".
Wer sich wiedertaufen lasse, werde der Herrschaft verwiesen; Fluchen und
Gotteslästern wurden unter große Strafe gestellt.

Mit diesen Bestimmungen griff Wilhelm tief in das kirchlich-religiöse Leben
seiner Untertanen ein und maß sich Entscheidungsbefugnis in solchen Fragen an,
die sonst der geistlichen Obrigkeit vorbehalten waren. Nachdem so in seinem

129 GLA 202/440; der Bischof bezieht sich auf ein vorausgegangenes Schreiben des Grafen.

130 GLA 202/441.

131 MFFA I, Nr. 416, S. 289 (1540 Sept. 29.)

132 Wagner, a.a.O. S. 195.

133 „Eingabe der protestantischen Geistlichkeit in der Landvogtei Ortenau und in der Herrschaft Kinzigtal
an den Grafen Wilhelm von Fürstenberg. Haslach 1542, Mai 31." in: R. v. Schreckenstein, Die Einführung
des Interims im Kinzigthale, in: FDA 2 (1866), Beil. I, S. 24—26.

134 Ebd. Beil. II, S. 26/27.

135 MFFA I, Nr. 463, S. 326—342.

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