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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 300
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Es scheint im nachherein ein geradezu typisches Merkmal dieser Zeit zu
sein, daß nicht nur dieser Offenburger Berichterstatter, sondern bis 1945
auch führende Politiker, Militärs und Fachleute der verschiedensten
Sparten sich bei Reden Hitlers in Übereinstimmung mit seiner außenpolitischen
Zielsetzung wähnten. Bei Niederschriften konzentrierten sie sich
daher in der Regel auf seine Aussagen zur Innenpolitik.14 Sie übersahen
dabei freilich, daß Hitler Innenpolitik lediglich als Funktion von aggressiver
Außenpolitik verstand. Sein politisches Denken kreiste immer um
die Frage der gewaltsamen Erweiterung von „Lebensraum".
Nur so wird daher auch die Bilanz verständlich, die der Hitler wohlwollend
beurteilende Journalist zog: „Wollen wir solches nicht alle. Was Hitler
ausführte, könnte man fast unverändert in jedes Parteiprogramm
aufnehmen, denn dies ist nicht Alleingut der Nationalsozialisten, sondern
jedes national fühlenden Deutschen". Hitlers Aussagen müßten „innerpolitisch
als nur zu richtig angesprochen werden. (In ihnen zeige) sich
nichts von dem Radikalismus und der Hemmungslosigkeit der Partei, man
ließe keine ,Köpfe in den Sand rollen'. War dies Taktik oder entspricht
es den Zielen? Nach dem allgemeinen Bild, das man bisher von dieser
Partei gewonnen hat, muß man das erstere vermuten. Ist aber das letztere
der Fall, so muß man sich fragen: Ist Hitler Führer oder Geführter?
Selbst bei wirklich ehrlichem Willen Hitlers, der ihm gar nicht abgestritten
werden möge: was nützt es, wenn nicht seine Ideen Wahrheit werden,
sondern die seiner einflußreichen Parteigenossen? Und die scheinen doch
manchmal wesentlich anders zu sein. War aber das Gemäßigtsein Hitlers
Taktik, so tritt uns die noch viel schwerwiegendere Frage entgegen: Warum
hat er nicht sein wahres Parteiprogramm entwickelt? Was hat er zu
verheimlichen?"15

Aber auch der Bericht des Hitlerkritikers derselben Zeitung, der den
korrigierenden und ergänzenden Kommentar ausgelöst hatte, offenbart
bezeichnende Lücken in der Berichterstattung, auch wenn das Urteil über
Hitlers Auftritt lautete, daß es sich dabei um eine an „Gemüt und Herz
appellierende" Angelegenheit gehandelt habe. Erneut zeigt sich, daß der
„nationale" Deutsche die Tragweite von Hitlers Absichten in der Regel
nicht erfaßte. Die Gegenüberstellung von zwei grundlegenden Passagen
aus Hitlers Offenburger Rede im Original und in der Wiedergabe durch
die „Offenburger Zeitung" bringt dies zum Vorschein:
Hitler

„Die Lage des deutschen Volkes ist gerade heute eine verzweifelte: wir haben
62 Millionen Menschen und können sie nicht ernähren, sind gezwungen, ent-

14 Dies ist ein genereller Eindruck bei Memoiren von Persönlichkeiten des Dritten Reiches, besonders
auffällig bei Militärs. Eine Ausnahme stellen trotz gewisser Einschränkungen die beiden Bücher von
Albert Speer dar: Erinnerungen. Frankfurt/M.-Berlin 1969; Spandauer Tagebücher. Frankfurt/M.Berlin
-Wien 1975.

15 Vgl. Anm. 12.

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