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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
58. Jahresband: Die Klöster der Ortenau.1978
Seite: 82
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Die Zeit des heiligen Benedikt, vom 5. in das 6. Jahrhundert, liegt in ihren
Problemen und im Gewicht der Belastungen nicht weit ab von heute.
Noch erhebt die alte Ordnung des römischen Reiches ihre Ansprüche, ist
aber angefressen von Egoismus und Lastern in den Zentren der Macht, in
Byzanz, Ravenna, Rom. Die Völkerwanderung erschüttert das Gerüst.
Bei den christlich gewordenen Germanenstämmen (arianisch) und
Italienern (katholisch) beherrscht nur zu einem kleinen Teil christliche
Gesinnung die Entscheidungen. Die Spaltungen unter den Christen, im
östlichen Teil des Reiches sehr vielfältig, im westlichen einfacher, und
das Hineinregieren der Kaiser in Glaubensfragen erfordern große
Standfestigkeit der Bischöfe, vor allem der Päpste; die Kraft des Glaubens
leidet. Und heute? Europa, Abendland und andere große Worte (wie
ehedem das ,.Imperium Romanum") stehen im Gespräch, aber in einem
wenig fruchtbaren Gespräch, denn gezielt wird auf den Vorteil des
Augenblicks, damals und heute, ganz gleich, mit welchen Mitteln man
sich diesen Vorteil verschafft.

Kaum etwas von der Düsternis seiner Zeit blieb Benedikt fremd.
Trotzdem unterläßt er die Schilderung der Not, der Sinnlosigkeit
bäuerlicher Arbeit im Anblick brennender Erntefelder, der moralischen
Verwahrlosung, der zerrissenen Ehen und Familien, der haltlosen
Genußsucht, der Gier nach Macht über alle Gewissensentscheide
hinweg. Genau so fehlt bei ihm jedes Reformprogramm zur Rettung der
antiken Kultur und der christlichen Werte. Bei Cassiodor, vorher
Staatsminister unter König Theoderich. finden wir aus der Zeit seiner
Pensionierung solche Programme für sein Kloster, obwohl er selbst
nicht Mönch wird. Benedikt spielt nie darauf an, aber ebensowenig
spricht Cassiodor ein Wort über Benedikt 278. Keine der Eigenheiten
seiner Regel begründet Benedikt mit dem Hinweis, wie heilsam ein
solches Verhalten wäre für die kranke Gegenwart; was er begründet,
begründet er von Christus her.

Es erweckt Staunen, wie frei sich Benedikt gegenüber den politischen
Richtungen seiner Zeit bewegt, seien es die eigenen Landsleute oder die
Goten, die Byzanthiner, die Franken oder was sonst noch zu gelten sucht.
Er hilft, er weist zurecht, ausgerichtet am Gewissen, aber er ergreift nicht
Partei. Wo er Ungerechtigkeit erlebt, schweigt er nicht 279.

Mönche, die mit ihrem Kloster nicht zufrieden waren und jetzt in dieses,
dann in jenes Kloster hineinschmecken, lehnt er ab, weil er am Ernst
ihres Wollens zweifelt, eines Wollens zum steten selbstlosen Dienst. Was
ihm dieses „Wollen" bedeutet, leuchtet auf bei seiner Anordnung, wie
man es bei Neuaufnahmen zu halten hat: „Prüfet, ob die Geister aus Gott

278 Überblick bei Sahatorelli 108/110.

279 Die Unabhängigkeit Benedikts gegenüber politischen Richtungen: Salvatorelli 111/112.

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