http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978/0637
handlungen wurde 1936 vom Kellereibetrieb Hörth ein altes Wohnhaus
mit Stallung, Scheunen und Hausgarten erworben. Nach notdürftiger
Einrichtung konnten die ersten Patres in das enge Haus einziehen und
die Wallfahrt übernehmen.
In welch unruhiger und unsicherer Zeit die Klostergründung geschah,
mag ein Vorkommnis aus dem Jahre 1937 zeigen. Bei der Wahl am
10. April hatte P. Werner auf seinem Stimmzettel geschrieben: „Für die
Reichstagswahl enthalte ich mich der Stimme, weil wir Geistlichen nach
dem Willen des Führers keine Politik treiben sollen und ich warte darauf,
daß in dem Großen Deutschland die katholische Religion dasselbe Recht
und denselben Schutz und dieselbe Bewegungsfreiheit genießt, wie die
vom Deutschen Glauben. Es ist mir recht, wenn mein Wahlschein dem
Reichsleiter zu Gesicht kommt. P. Werner." Eine aufgeregte Menge hatte
daraufhin im Kloster die Fenster eingeworfen. Als P. Werner sich
verteidigen wollte und aus dem Haus trat, wurde er mit einem Kinnhaken
zu Boden geworfen. Erneut kamen die Leute an den folgenden Tagen und
belästigten den Pater, der daraufhin im Offenburger Kloster Zuflucht
suchte und dann nach Cleve an den Niederrhein versetzt wurde.
Ein Unglückstag für Ottersweier war der 8. September 1944. Zahlreiche
Brandbomben waren über den Häusern niedergegangen und hatten auch
die Lindenkirche getroffen. Dank dem mutigen Einsatz einiger Jungmänner
konnte der Brand gelöscht werden, ohne großen Schaden angerichtet
zu haben.
Das alte Wohnhaus konnte für eine gediegene Wallfahrtsseelsorge nur
ein Provisorium sein. Es wurde 1968 abgerissen. Nach den Plänen von
Architekt Roth wurde ein in die Landschaft passender Neubau errichtet
mit Satteldach und vorgelagertem Pfortentrakt und einem Verbindungsgang
zur Kirche. Dazwischen liegt ein quadratischer Lichthof.
Maria Linden hat auf den mittelbadischen Raum und darüber hinaus eine
große Strahlkraft. Wallfahrer finden zu jeder Zeit Gelegenheit zum
Empfang der Sakramente, hören eine gute Predigt und können in einer
gepflegten Liturgie die Eucharistie, einen Wortgottesdienst oder eine
Andacht mitfeiern. Brautpaare werden getraut, Ratsuchende finden
Gelegenheit zu einer Aussprache. Neben der Schwesternseelsorge und
der ihnen seit 1941 übertragenen Betreuung der Kreis- und Pflegeanstalt
Hub mit der Lungenheilstätte übernehmen die Patres Einkehrtage und
Besinnungstage in den Gemeinden- und Exerzitienhäusern.
Ein eindrucksvolles Zeichen für die blühende Wallfahrt ist die sehr
ansprechend renovierte und stark besuchte Wallfahrtskirche. Im Verlauf
von zwanzig Jahren wurde eine Heizung eingebaut und ein neuer
Fußboden gelegt, das Dach und der Außenputz erneuertem Innern die
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