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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 193
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le, umfangreiche Bibliothek als „Beutegut" versteigert wurde, fiel die Durchführung
der Arbeit schwer. Auch durch die Befragung ehemaliger Angehöriger
der Illenau konnten die Lücken nur teilweise geschlossen werden.

1. Die Lage der Geisteskranken in den früheren Jahrhunderten

Um die Bedeutung der Illenau für ihre Zeit zu verstehen, sei kurz die Lage der
Geisteskranken in den früheren Jahrhunderten dargestellt, denn trotz ihrer
bedeutsamen Neuerungen ist auch die Illenau ein Glied in der allgemeinen
Entwicklung der Psychiatrie und der Behandlung der Geisteskranken.

Infolge mangelnder Kenntnisse des Gehirns und seiner Erkrankungen wußte
man bis in die neuere Zeit nicht, daß Geisteskranke wirklich krank sind. Man
wußte zwar, daß sie ,,im Kopf nicht richtig", daß sie gemütskrank sind; aber
die Ursache dieses Zustandes blieb unerkannt und das Verhalten der Kranken
darum unverständlich und ungewöhnlich. Schwere Fälle, gar wenn der Kranke
um sich schlug und tobte, führte man, wohl unter dem Einfluß der biblischen
Erzählungen (vgl. Mk. 1,23/28 und 5,1/20, Luk. 4,33/37 u. a.), auf Besessenheit
durch Dämonen zurück. Ihnen wurde im Namen Gottes geboten
(Exorzismus), aus den Kranken auszufahren, bzw. sie in Ruhe zu lassen. Allerdings
gab es schon im Mittelalter religiöse Genossenschaften (z. B. die Alexianer
), die sich der Geisteskranken annahmen und sie in ihren Klöstern betreuten
, aber im Grunde blieb ihre Lage bis in die neuere Zeit und oft auch
noch heute traurig. Da sich die Angehörigen ihrer irren Verwandten schämten
und um den Ruf ihrer Familien bangten, sperrte man die Geisteskranken in
dunklen Räumen ein, daß niemand etwas von ihnen erfahre und überließ sie
darin, verwahrlost und verschmutzt, ihrem Schicksal. Andere verwahrte man,
daß sie die Öffentlichkeit nicht durch ihr Verhalten erschreckten, in Gutleut-
und Leprosenhäusern oder Gefängnissen. Dort blieben sie meist der Willkür
der Hausverwalter und Gefängniswärter überlassen, die sie bei störrischem
Verhalten schlugen, das an sich schon kärgliche Essen kürzten, sie bei Anfällen
in Käfige und finstere Zellen sperrten oder mit Ketten an die Wände fesselten
. Notdürftig gekleidet oder in Lumpen gehüllt, unterernährt und vor
Schmutz starrend verbrachten sie ihr Leben ohne Aussicht, geheilt zu werden
und die Freiheit wieder zu erlangen.

Seit dem Beginn der Neuzeit finden sich vereinzelt Bestrebungen, die Geisteskranken
nicht bloß zu verwahren, sondern sie auch zu heilen. So behandelte
der hl. Johannes von Gott (1495—1550)2, ein gebürtiger Portugiese, in dem
von ihm gegründeten Krankenhaus in Granada in Spanien die Geisteskranken
nach neuen Gesichtspunkten. Er war schon damals überzeugt, daß die Geistesgestörten
wirklich krank sind, daß ihr Zustand nicht von Besessenheit herrühre
, daß für ihre Behandlung Ruhe und Geduld, vor allem aber Güte erforderlich
seien. Zu ihrer Beruhigung solle man Heilmittel wie Baldrian, Melisse,

2 Johannes von Gott, in: LTHK Bd. 5, 1960

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