Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 218
(PDF, 65 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1981/0220
Die Behandlung der Kranken

Die Behandlung der Geisteskranken beschränkte sich nicht bloß auf die Heilbaren
, sondern auch die Unheilbaren, denn von ihnen sagt Roller: „Was an
den Unheilbaren geschieht, um das tiefere Sinken zu verhüten, ist nicht minder
ein Heilen als dasjenige, was bei den Heilbaren die Genesung zur Folge
hat". Für die Heilmethode selbst empfiehlt Schüle: „Keine Vielgeschäftigkeit,
sondern Stetigkeit" und Roller: „Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld
muß bei dem Werke sein." Schüle rät weiterhin: „Ruhe dem erkrankten
Gehirn, geistig und körperlich, Abhaltung aller schädlicher Einflüsse, Hinwegräumen
aller Reize sowie aller erschöpfenden Einwirkungen."40

Viele der angewandten Heilmittel gelten heute als selbstverständlich, doch
nicht alle waren es für ihre Zeit. Natürlich wurden Medikamente verordnet besonders
zur Beruhigung und als Schlafmittel. Bei Unruhigen wurden oft mit
gutem Erfolg die Mittel der Hydro-Therapie angewendet wie Abwaschungen,
kalte Packungen, Bäder, oft von mehrstündiger Dauer u. a. Einzelne mußten
auch isoliert werden, besonders zur Zeit der Essenausgabe, andere forderten
die Isolierung, um Ruhe zu haben. Auch die Zwangsjacke mußte bei Unruhigen
und Aggressiven gebraucht werden, ebenso ihre Unterbringung in Zellen.
Doch statt der Zwangsmittel suchte man vor allem dadurch zu heilen, daß
man das Leben freundlich gestaltete und für Unterhaltung und Geselligkeit
sorgte.

Roller legte außerdem besonderen Wert auf die Erziehung der Patienten zur
Ordnung durch strenge Einhaltung der Hausordnung. Wichtigste Heilfaktoren
aber waren die körperliche Beschäftigung der Kranken und geistige Anregungen
, damit sie vor dem geistigen Absinken bewahrt wurden.

Wer von den Männern arbeiten wollte, konnte Holz sägen, in Feld- und Garten
arbeiten, sich in den Werkstätten des Hauses betätigen oder auch in der
Verwaltung mithelfen. Die Frauen konnten Gemüse putzen, Wäsche waschen
und bügeln und halfen mit bei der Erledigung der Hausarbeiten. Andere beschäftigten
sich mit Handarbeiten, mit Spinnen und Weben. Als 1903 die
schwedische Bandweberei eingeführt wurde, fertigten mehrere von ihnen Läufer
und Teppiche an.

1903 arbeiteten 80 Männer (= 30 % der Kranken) und 120 Frauen (= 39 °7o).
Allerdings konnte nur ein kleiner Teil von ihnen als volle Arbeitskraft eingesetzt
werden. Eine Entlohnung gab es nicht; doch erhielten Unbemittelte,
die regelmäßig arbeiteten, als Belohnung und zur Aufmunterung monatlich
2—5 M, die sie für sich verwenden, nach Hause schicken oder für den Tag ihrer
Entlassung sparen konnten. Anderen gewährte man freien Ausgang. Diese
Beschäftigung übte eine gute Wirkung besonders auf die Unruhigen aus. In

40 Die allgemeinen Grundsätze in der Behandlung von Geisteskranken hat Roller niedergelegt in „Illenau".
Karlsruhe 1865, S. 55 f. Die vorstehenden Zitate sind entnommen aus M. Fischer, Die Entwicklung des Bauwesens
der Irrenanstalten . . . S. 524.

218


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1981/0220