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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 236
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den Kräften zehrte. Die alten „Walzwerkler" trugen das Zeichen dieser jahrzehntelangen
Bürde, wenn sie überhaupt das Ruhestandsalter erreichten. Deshalb
erhielten sie auch einen besseren Lohn als die übrigen „Zeitarbeiter" im
Gegensatz zu den Akkordarbeitern. Die Hitze an den Walzen sorgte dafür,
daß die Leber nicht trocken blieb. Aber während der kräftezehrenden Arbeit
tranken die Mannen nur Tee zur Labung. Doch nach Feierabend verschmähten
sie genau so wenig einen kühlen Trunk in der nachbarlichen „Eiche", wie
einst ihre Vorfahren im Werk, die trinkfesten Hammerschmiede. Verständlich
, wenn so manche gemeinsam erstandene Prämie schon im Bierglas ertrank
und nicht mehr über den heimatlichen Küchentisch rollte. Ab 1937 lief
wohl im Zuge der Gesamtumstellung auf Gaserhitzung der Betrieb an den
„Warmstraßen" ohne Unterbrechung, so daß dauernd sechs Mann anwesend
sein mußten. Deshalb gehörten von nun an immer sieben Bedienstete zu einer
Walzgruppe. Der siebte Arbeiter fungierte als Ersatzmann, der einspringen
mußte, wenn einer in der Kolonne ausfiel, vesperte, etwas trank o. a.

Die beiden Fabrikanten Netter und Jacobi1 kamen von Zeit zu Zeit nach Hausach
, um nach dem Rechten zu sehen. Nach dem Besuch des Werkes und des
Herrenhauses zogen sie sich „ins Hotel" (Bahnhof-Hotel) zurück, wo sie
Quartier bezogen hatten. Die Firmenleitung zeigte auch eine gewisse soziale
Einstellung gegenüber ihren Arbeitern. So wurden in den Jahren 1922 bis 1928
sechs Häuser2 mit 30 Sozialwohnungen für die Bediensteten des Eisenblech-
Walzwerkes erbaut und damit gleichzeitig das südliche Neubaugebiet am Breitenbach
erschlossen. In Anerkennung dieser Leistung und Fürsorge erhielten
je eine der angrenzenden Straßen den Namen der Fabrikherren „Netter-" und
„Jacobistraße". Als im April 1933 Direktor Rosenthal das Zeitliche segnete,
wurde zu seinem ehrenden Gedenken zwischen zwei Blöcken der Arbeitersiedlung
in eine kleine Anlage ein Findling gesetzt, der die Aufschrift trägt: „Unserem
ersten Betriebsführer Franz Rosenthal 1895 — 1933 zum Andenken.
Die Gefolgschaft des Walzwerks." An seine Stelle trat sein Sohn Alfred Rosenthal
, der den Betrieb bis Kriegsende leitete.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im gleichen Jahr begann für
die jüdischen Eigentümer Netter und Jacobi eine leidvolle Zeit, in denen sie
zunehmend Schikanen und Repressalien ausgesetzt waren, so daß auch die
Angst vor einer Enteignung keineswegs unberechtigt war und deshalb immer
größer wurde. Allerdings mußten diese Behandlung seitens der neuen Machthaber
nicht mehr die alten Fabrikanten ertragen, sondern deren Söhne, die inzwischen
in die Fußstapfen ihrer Väter getreten waren. Es wurde bald ruchbar
, daß das Hausacher Werk zwangsweise in andere Hände übergeben werden
sollte. Unter einem gewissen Druck, aber auch im Bewußtsein der unabänderlichen
politischen Lage in Deutschland, ging am 20. 4. 1938 die „Firma

1) Wolf Netter und Salamon Jacobi.

2) Im Volksmund wurden sie „Kolonie" genannt.

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