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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0153
anführen, sie seien schon anderwärts engagiert und nur auf der Durchreise,
oder ihr Streben gehe dahin, in einer größeren Stadt Arbeit zu finden, wo sie
auch noch mehr lernen könnten". Während im Umfeld der Industriestädte die
Bevölkerung ihren Wohnort beibehielt, aber den sozialen Wandel zur Industriearbeiterschaft
oder zum Arbeiterbauern durchmachte und dadurch später
vielfach eine Verlegung von Betrieben zum Arbeiterpotential hin verursachte,
spielte bei der großen Entfernung zu den industriellen Schwerpunkten das
Pendlerwesen in beiden Amtsbezirken vor dem Ersten Weltkrieg nur eine sehr
untergeordnete Rolle und führte nicht über den eigenen Bezirk hinaus.

Hier nicht zu lösen ist die Frage, ob und inwieweit die ländlich-konservative
Grundhaltung der Bevölkerung für die geringe wirtschaftliche Entfaltung mitverantwortlich
war. Denkbar wäre auch der umgekehrte Zusammenhang: das
vorhandene Interesse an wirtschaftlichen Verbesserungen und Aufnahme von
Neuerungen konzentrierte sich weitgehend auf die Landwirtschaft und fand
sein Genügen an deren unbestreitbarem Aufblühen während des hier besprochenen
Zeitraums. Dagegen nahmen, wie aus den Berichten an den Landeskommissär
hervorgeht, besonders die Acherner Amtleute immer wieder Anstoß
an dem geringen gewerblichen Unternehmungsgeist in ihrem Bezirk (obgleich
dieser immer noch stärker als im Amtsbezirk Bühl war).

Ob das Modell des konfessionell geprägten Wirtschaftsgeistes hier anzuwenden
ist, scheint insofern fraglich, als sich die benachbarten protestantischen
Gemeinden der ehemaligen Grafschaft Hanau-Lichtenberg strukturell kaum
von den katholischen Gemeinden in den badischen und ehemals straßburgi-
schen Teilen der Amtsbezirke Achern und Bühl unterschieden. Immerhin liegt
es nahe, daß die sich seit den fünfziger Jahren entfaltende katholische Volksbewegung
daran interessiert sein mußte, das ihr im konfessionell einheitlichen
Gebiet um Achern und Bühl genau entsprechende „sozial-moralische Milieu"
mit seinen wesentlich vorindustriellen und vordemokratischen Zügen51 zu erhalten
. Schon während des badischen Kulturkampfes war hier eines der Kerngebiete
der katholischen Opposition, und auch später wurden ausschließlich
Abgeordnete der 1869 gegründeten Katholischen Volkspartei bzw. des Zentrums
in den Badischen Landtag und in den Reichstag gewählt.

Mit Franz Xaver Lender (1830—1913) hatte hier eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
des badischen Katholizismus ihren engeren Wirkungskreis. Als
Pfarrer in Schwarzach gründete er ein Waisenhaus, das auch schulische Aufgaben
erfüllte. Als weitere Antwort auf die Einführung der Simultanschule in
Baden schuf er nach seiner Berufung als Pfarrer nach Sasbach 1872 (er war
schon 1866 zum Dekan des Kapitels Ottersweier gewählt worden) aus kleinen
Anfängen eine Privatschule, die zunächst hauptsächlich für den vorbereitenden
Unterricht künftiger Priesterseminaristen gedacht war, rasch jedoch über
diesen Rahmen hinauswuchs und heute eine der bekanntesten Heimschulen
Badens ist. Lender war Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Auf wirt-

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