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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 388
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Verständnis zu der Zinsgutübergabe und damit auch zu dem ihnen aufgezwungenen
Zölibat geben mußten, gestalteten sich die Dinge oft sehr schwierig.

Mit diesen Mitteln glaubte man, eine Vermehrung der Kolonistenzahl in
Hundsbach und Herrenwies verhindern zu können. Formal schien das Ziel erreicht
; denn im Jahr 1788 umfaßten die Waldkolonien 73 und im Jahr 1844
77 Familien. Womit man freilich gerechnet hatte, war, daß jetzt häufig „wilde
Bünde" zustande kamen, die niemand verhindern konnte, so daß jetzt über
Sittenlosigkeit und Liederlichkeit geklagt wurde. Das war reine Heuchelei;
den Kern des Übels wollte man nicht sehen. Die Folge war eine sehr große
Zahl unehelicher Kinder, die durch ihre Unterstützungsbedürftigkeit dem
Staat erst recht zur Last fielen. In den Waldkolonien war die Einwohnerzahl
von 312 im Jahr 1788 auf 722 im Jahr 1844 gestiegen; unter diesen waren 123
uneheliche Kinder. Ähnliche Verhältnisse bestanden damals häufig auch auf
dem Land, wenn man versuchte, Eheschließungen aus fiskalischen Gründen
einzuschränken. Gewiß waren die Arbeitsmöglichkeiten in den Waldungen
nach Aufzehrung der Altholzvorräte erheblich geringer geworden. Aber niemand
hat auch nur den Versuch unternommen, die überzähligen Kolonisten
innerhalb des Landes umzusiedeln; sie waren für den Staat billige Arbeitskräfte
. Die kurzsichtige Sozialpolitik der badischen Verwaltung hat den Grund gelegt
zu all der Not und dem Elend, von dem die Kolonien in den beiden ersten
Dritteln des 19. Jahrhunderts heimgesucht wurden. Sie waren nicht nur übervölkert
; seit dem Ende der Holländerhiebe wurden die Waldarbeiten stets im
Weg der Steigerung an den Wenigstnehmenden vergeben, so daß die Leute
sich gegenseitig unterboten. Obwohl die Bezirksforstei 1848 zugeben mußte,
daß mit den hier erzielten Löhnen ein ausreichender Verdienst nicht möglich
sei, erklärte die Forstverwaltung in Karlsruhe, daß sie keinen Einfluß auf die
Lohngestaltung ausüben könne. Im Jahr 1850 wurden die Taglöhne sogar herabgesetzt
, „um den übermäßigen Wirtshausbesuch vieler Kolonisten zu unterbinden
." Das Forstamt Gernsbach meinte sogar, der Grundsatz der Verminderung
der Kolonistenzahl sei nicht glücklich, denn er führe zur Verteuerung
der Waldarbeiten. Bei Vermögensübergaben, so berichtete das Amt Bühl, erhalte
der Übernehmende zwar eine elende Hütte nebst dem Recht der Überbesserung
seines Gütchens, damit aber auch das ganz verschuldete Vermögen,
„während seine Geschwister als Bettelleute abgefertigt werden und sich noch
glücklich preisen können, wenn sie bei dem neuen Hausbesitzer einen Schlupfwinkel
zur Unterkunft als ihren Erbteil sich ausbedingen dürfen."

Seit etwa dem Jahr 1800 zeichnete sich die Verschlechterung der Lage der Kolonisten
ab, indem häufig die Überbesserung von Grundstücken verpfändet
wurde, Vergantungen eintraten und Güter zwangsweise versteigert wurden.
Die Forstverwaltung behielt sich in diesen Fällen ausdrücklich die Genehmigung
hinsichtlich der Person des neuen Beständers vor, weil die Zahl der Kolonisten
nicht erhöht werden sollte. Auswärtige Gläubiger durften ein Zinsgut
zwar erwerben, wurden aber nicht als Kolonisten aufgenommen. Kolonisten-

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