http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0115
Die Damen der Ortenau sind ,ane wandet' heißt: sie sind Jrüwe'.
Damit können sie als Beispiele vorbildlichen Menschseins gelten, denn das ,ge-
trüwe herze' ist der Grund dafür, daß ein Mensch den Beistand Gottes erfährt.
Gott nämlich ist derjenige,
der getrüwez herze nie
mit der hilfe sin verlie,
der noch nie jemanden, der auf ihn vertraute, ohne seine Hilfe ließ.
wie wir zweimal hören (Z. 9 und Z. 409).
Der Gott der höfischen Welt ist ein ,getrüwer got', der aber auch Jrüwe' fordert
.
Die Damen ,ane wandet' sind auf Grund ihrer Jrüwe' in der ritterlichen
Kultur, die unsere Erzählung spiegelt, die eigentlichen Träger einer vorbildlichen
Gott-Mensch-Beziehung.
Die ,zuht'
Auch die letzte der vier ritterlichen Tugenden, die ,zuht', wird, ebenso wie die
Jrüwe', vor allem den höfischen Damen zugesprochen.
,Got gruess üch, frow, durch alle zuht', sind die ersten Worte, mit denen der
Staufenberger die ,/rouwe' begrüßt (Z. 671).
Als die Verwandten Herrn Petermann zur Hochzeit überreden wollen, da
raten sie ihm:
671 du solt ein gemahel han,
die din mit zucht gewarten kan.
Du brauchst eine Gemahlin, die standesgemäß für dich zu sorgen versteht.
,Zuht' ist das standesgemäße, tadelfreie höfische Benehmen, der formvollendete
Umgang:
270 mit zuhten im die frowe neyg
und gruost also den knaben.
Voller Anstand verneigte sich die Dame vor ihm und begrüßte auf diese Weise den
Knappen.
Der Knappe aber darf auf ihren Gruß hin nicht anhalten, um etwa ein
Gespräch zu beginnen, weil
278 im sin her so nahe reyt,
da von torst er nit stille haben,
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