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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 278
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0278
Allgemein wurde den Müllern ein betrügerisches Wesen zugesprochen. Der
Coburger Amtmann Georg Paul Hönn führte 1724 30 Formen von Betrug
auf: Müller brächten an verborgenen Orten heimlich Nebenbeutel an, durch
die das Mahlgut fiel. Sie vertauschten gutes Getreide gegen schlechtes, verwechselten
die Säcke, streckten das Mehl mit Sand und Sägespänen,
gebrauchten falsche Maße und Gewichte und ließen ihre Tauben, Hühner und
Schweine sich an fremdem Getreide mästen.67 „Die Müller han die beste swein
/ die im ganzen Lande sein / sie mästens aus der bauren säcken"68 — mit
diesen wohlgesetzten Worten brachte der Straßburger Schriftsteller Johann
Fischart das allgemeine Vorurteil auf den Begriff.

Auch die Müllener Mühlenordnung ist mißtrauisch gegenüber den Müllern.
Nur so läßt sich die Bestimmung versehen, daß der Müller außer einem Hahn,
sechs Hennen sowie einer Kuh kein Vieh und Geflügel halten durfte.69 Eine
Sage dokumentiert, daß zumindest einzelnen Müllern betrügerische Machenschaften
nachgesagt wurden:

Vor vielen Jahrzehnten lebte in einer Mühle zu Müllen ein alter geiziger Müller, der alle
Leute, vor allem aber die Ärmsten, auf unverschämte Weise betrog. Seine Füße staken
in riesigen Holzschuhen, die Ärmel seines Kittels waren sehr weit und künstlich versteift
. Wenn nun ihm jemand Getreide brachte, dann fuhr er mit seinen weiten steifen
Ärmeln in den Getreidesack, daß gar viele Körner im Ärmel blieben. Mit den großen
Holzschuhen schlurfte er in der Frucht herum, die auf dem Mühlenboden lag, so daß
die Schuhe oft von den Körnern überquollen. So trieb es der Müller viele Jahre, und er
wurde bald sehr reich. Mit seinem Reichtum wuchs sein Geiz und seine Habgier, so daß
er immer noch mehr betrog.

Einstens brachte ihm auch eine Witwe, die mit einer großen Zahl unmündiger Kinder
im Dorf lebte, Frucht zum Mahlen. Gute Leute hatten ihr erlaubt, daß sie zur Erntezeit
auf dem Feld Ähren lesen durfte. Als sie das Mehl abholen wollte, erschrak sie über das
kleine Säckchen Mehl, das ihr der habgierige Müller übergab. Die Frau beschwerte sich
bei dem Müller. Ein Wort gab das andere. Der Müller zeigte die Frau bei dem Gericht
wegen Beleidigung an.

Die Gerichtsherren kannten den Müller nur zu gut. Die arme Frau konnte dem Richter
nicht ihr Recht beweisen. Sie verlor den Prozeß, zumal der Müller einen falschen Eid
schwor. Mitfühlende Leute halfen der armen Frau, wo sie nur konnten, so daß sie keine
Not leiden brauchte. Der Müller wurde aber sehr bald von einer heimtückischen Krankheit
befallen. Sein Sterben war sehr schmerzvoll. Mit den Sterbesakramenten konnte er
nicht mehr versehen werden. Nach seinem Tode mußte er für seinen Geiz, seine Habgier
, Hartherzigkeit und seinen Meineid umhergehen.70

Worauf beruhte das Vorurteil vom unehrlichen Müller? War es der Neid auf
Besitz und Wohlstand? Nicht immer war die Lage der Müller rosig, daß sie
aus diesem Grunde versucht sein konnten zu betrügen. So wird 1568 Klage
darüber geführt, daß der Müller auf der ortenauischen Herrschaftsmühle zu
Müllen keine Besoldung mehr von seiner Herrschaft erhielt, sondern alleine
vom Mahlgeld leben mußte. Dieses belief sich in einem guten Durchschnitts-

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