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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 400
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sen sehr bald vertraut, wie die Wahlergebnisse zeigen. Die demokratischen
Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Z, DDP) erhielten stabile Mehrheiten.
Eindringlich wurde gemahnt, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Frauen
hielten erstmals eigene Versammlungen ab, auch durften sie jetzt nach dem
Zusammenbruch des Kaiserreichs erstmals zu den Urnen gehen.5

Vereine und Institutionen hielten wieder ihre gewohnten Versammlungen ab.
Am 17. 2. 1919 fanden die Sänger des Gesangsvereins „Frohsinn" zusammen;
die „Spar- und Darlehenskasse" informierte ihre Mitglieder über den Jahresabschluß
des letzten Kriegsjahres, und selbst musikalische Unterhaltung wurde
am Sonntagnachmittag wieder angeboten. Die Feuerwehr bestimmte den
Gemeinderat Josef Läufer erneut zu ihrem Vorsitzenden, der nach 35jähriger
Vorstandschaft immer noch das Vertrauen der Wehr für sich verbuchen konnte.
Am Fronleichnamstag trat auch das Schützenkorps erstmals wieder unter seinem
Kommando zur Teilnahme an der Prozession an. Mit dabei war auch die
Musikkapelle mit 20 Mann. Und noch ein Novum erlebten die Oberharmers-
bacher trotz der herben Zeit: In der Brauerei Schwarz wurde der erste Film
gezeigt („Schein und Sein von Kapitän Wedding", Eintritt 1—1 Mark 20; die
Qualität des Filmes schien zweitrangig zu sein, man warb mit der Filmlänge:
2.300 m).

Obwohl wieder alles seinen gewohnten Gang zu nehmen schien, waren die
Auswirkungen des verlorenen Kriegs deutlich zu spüren. Schreckensmeldungen
über Unruhen in Hamburg und München machten die Runde. Aber das war
weit weg für die Talbevölkerung. Viel schwerwiegender machten sich da die
persönlichen Einschränkungen, die täglichen Entbehrungen, die Not bemerkbar
. Viele Lebensmittel waren rationiert, der Kommunalverband Offenburg-
Land setzte die Pro-Kopf-Rationen im Monat fest: 650 g Monatszucker, 125 g
Marmelade, 125 g Kunsthonig, 125 g Gerstengraupen, 125 g Cichorie, 100 g
Bohnenkaffee; Kranke erhielten einen Karton Zwieback und Keks zusätzlich.6
Gleichzeitig ergingen Aufforderungen, mehr Eier abzuliefern; in den Städten
wurden je nach Größe die Fleischrationen auf 100—200 g/Woche festgesetzt.
Für die rationierten Lebensmittel wurden gleichzeitig Höchstpreise bestimmt
(Juni 1919: 52 Pfg/Pfund Zucker, 30 Pfg/Ei Erzeugerpreis, Weiterverkauf
36 Pfg).

Die Knappheit ließ manchen auf die schiefe Bahn geraten. Während in verschiedenen
Städten, nicht zuletzt wegen der politischen Wirren, regelrechte
Plünderungen an der Tagesordnung waren, blieb es im Tal bei kleineren Diebstählen
. Reichtum versprachen sich manche durch Schiebereien großen Stils.
In Oberharmersbach war es vor allem der Schnaps, der z.T. sogar mit der
Bahn verschoben und hin und wieder durch die Polizei beschlagnahmt wurde.
Wenn man dem damaligen Redakteur der Schwarzwälder Post Glauben schenken
darf, dann lagerte in Zell a.H. soviel Schnaps, „daß man ganz Zell a.H.
beduselt machen könte".7 Wie eng es mit dem einen oder anderen lebensnot-

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