Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 445
(PDF, 91 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0445
Die „Arbeiter Internationale Zeitung" nimmt sich im März 1932 dieses Falles
an. Dort wird der Fall etwas anders geschildert: Der Schwerkriegsversehrte
Bühler sei durch den Gerichtsvollzieher Füger durch dessen Revolver bedroht
worden und habe in größter Aufregung zurückgeschossen. Bühler habe vier
Stunden lang im Haus auf die Polizei gewartet, ohne Widerstand zu leisten.
Die ängstlichen Beamten hätten der Ruhe aber nicht getraut und wären erst ins
Haus vorgedrungen, nachdem Bühler durch die Handgranate daraus vertrieben
wurde, auch aus Angst um seine Frau und seine bettlägerige Schwiegermutter
. Die AIZ berichtet weiter, daß in einer der darauffolgenden Nächte die
Kalbin, die gepfändet werden sollte, von „reaktionären Bauern" als Racheakt
gegen Frau Bühler mit sieben Messerstichen schwer verletzt wurde.

Dieser Bericht diente dem Stuttgarter Arzt und Arbeiterdichter Friedrich Wolf
als Vorlage für das Schauspiel „Bauer Baetz", in dem er vor allem auf die
politischen und ökonomischen Voraussetzungen der Tat einging. Die psychologischen
Aspekte des Falles kommen im Stück nicht zur Geltung, nämlich
daß Bühler durchaus kein typischer Fall war, da ja sein Hof nicht verschuldet
war und da die Schuld nicht aus Steuer- oder Tilgungsrückständen entstanden
war, sondern als Forderung eines Rechtsanwalts. Die AIZ schreibt dazu:

„Obwohl er im Kriege durch einen Lungenschuß schwer verletzt worden war,
erhielt er keine Rente. Durch größten Fleiß konnte er sein Anwesen im Werte
von 19000 RM schuldenfrei halten, aber die Not wurde immer größer. Dazu
kam unerwarteterweise die Forderung eines Rechtsanwalts in Höhe von 71,95
RM, der Bühler vertreten hatte, als er gegen ein paar Rowdies, die seine Frau
belästigt hatten, Beleidigungsklage gestellt hatte. In diesen Gerichtsverhandlungen
zog sich Bühler das Mißfallen der Klassenrichter zu, weil er sich nicht
gerade gewählt ausdrückte. Wegen einiger Kraftausdrücke mußte er selbst ins
Gefängnis und außerdem noch den größten Teil der Gerichtskosten zahlen.
Und obwohl ihm der Rechtsanwalt Riebel im Jahre 1928 erklärte, daß er auf
die Resthonorarzahlung von 71 RM verzichte, erhielt er plötzlich im September
1930, 2 1/4 Jahre später einen Zahlungsbefehl über diese Summe."

Auch hier deuten sich „querulatorische Züge" von Karl Bühler an; genauso
gut könnte aber die Gegnerschaft einiger konservativer Bauern, wie sie sich
durch den Anschlag auf die Kalbin äußerte, ihn in Verzweiflung und Enge getrieben
haben. Begleitumstände und Hintergründe des Falles bleiben also auch
heute noch im Dunkeln. Das Loch, das Bühler durch den Boden seines Schlafzimmers
hinunter in den Stall gegraben hatte, spielte in den Verhören später
eine wichtige Rolle, diente es nämlich dazu, Bühler für verrückt erklären und
in die Irrenanstalt abschieben zu können, um so einen aufsehenerregenden
Prozeß zu vermeiden. Wolf erklärt dieses Loch im Stück so: Bühler hätte seine
letzte ihm verbliebene Kuh mit einem Seil an eine im Schlafzimmer aufgehängte

445


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0445