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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 454
(PDF, 91 MB)
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und führte die Morde mit eigenem Personal durch. Schließlich gab es noch die
„Gemeinnützige Krankentransporte G.m.b.H.", die mit der Durchführung der
„planwirtschaftlichen Transporte" mit eigenen Bussen und eigenem Personal
betraut war. Der Untersuchungsrichter Dr. Rappenecker hat die Organisation
und Durchführung dieser Transporte in seinem Bericht zum Ärzteprozeß vor
der Freiburger Staatsanwaltschaft ausführlich beschrieben (Aktenzeichen 1 Ks
5/48). Man ging dabei immer nach demselben Schema vor. Zunächst mußten die
Heil- und Pflegeanstalten scheinbar unverfängliche Meldebögen über die Patienten
abliefern. Einige Zeit danach trafen Schreiben ein, in denen der Anstaltsleitung
mitgeteilt wurde, daß eine bestimmte Zahl namentlich bezeichneter
Kranker verlegt würde. Dann fuhren die Busse der „Gemeinnützigen Krankentransport
G.m.b.H." vor. Ein früherer Pfleger B. (will anonym bleiben)
berichtete: „Am Abend vor dem Transport erhielten wir eine Liste mit den
Namen der Patienten, die abgeholt wurden. Frühmorgens fuhren die grauen
Busse vor, auch die Fenster waren bis oben grau gestrichen. Die Kranken bekamen
einen Zettel mit einer Nummer. So traten sie einzeln ein, und wir
schrieben ihnen mit Tintenstift die Nummer auf den nackten Rücken. Weil sie
meinten, wir würden sie in eine andere Anstalt verlegen, waren sie im allgemeinen
ganz ruhig. Sie wußten ja nicht, was mit ihnen geschehen würde. Dann
wurden sie in den Bus geführt, immer 75. Ein paar Wochen später wurden die
Kleider aus Grafeneck zurückgeschickt." Dr. Rappenecker berichtet allerdings
, daß diese Transporte nicht immer so ruhig abliefen, wie hier geschildert
.

Dieses Grafeneck liegt auf der Schwäbischen Alb bei Münsingen. Es gehörte
der Ev. Samariterstiftung und diente als Krüppelheim, bis es im Oktober 1939
beschlagnahmt wurde. Nun zog die „Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege
" ein, die das Stift mit eigenem Personal zur Vernichtungszentrale für
Baden und Württemberg machte. Insgesamt wurden hier etwa 7000 Kranke
ermordet.

Im Vergasungsraum, der 75 Opfer faßte (deshalb immer wieder die Transportzahl
75), wurden die Kranken mit Kohlenoxyd vergast und anschließend in
Verbrennungsöfen im Park verbrannt. Von einem Augenzeugen, einem Arzt,
wurde der Hergang der Exekution folgendermaßen geschildert: „Dann wurden
die zur Vernichtung bestimmten Kranken sofort in den Raum gebracht,
der mit einem Röhrensystem versehen und hermetisch abzuschließen war.
Durch Gucklöcher in der Tür habe man die Vorgänge beobachten können. In
diesem Raum brachte man ca. 75 Mann. Nach 3/4 Stunden konnte der Raum
bereits wieder geöffnet und die Leichen herausgeschafft werden. Der Tod war
unterdessen durch Kohlenoxydvergiftung eingetreten. Die völlig nackten Leichen
wurden dann auf Rosten verbrannt, und zwar schmorte man immer eine
möglichst fette Leiche mit zwei mageren."3

Die Angehörigen der Ermordeten erhielten dann ein Schreiben, in dem ihnen
mitgeteilt wurde, daß ihr Familienmitglied hatte nach Grafeneck verlegt wer-

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