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Dekan Dr. Franz Xaver Lender.
Solchermaßen „moralisch umgerüstet", beichtete er nach seiner Rückkehr aus
Italien seinem „Fraktionshauptmann" Dr. Lender die Sünde seiner einst unversöhnlichen
Haltung in der Examensfrage. „Die Kirche", meinte Hansjakob
jetzt, „muß den ersten Schritt im Nachgeben tun; denn sie hat vor allen
Dingen den Beruf, eher Unrecht zu leiden, als das Volk religiös verwildern
zu lassen."44 Zwiespältig berührte den kühlen Skeptiker Dr. Lender die neueste
Einstellung seines inzwischen 41 Jahre alt gewordenen „Fraktionsfeuerkopfes
".
Im Januar 1878 trafen sich Lender und Hansjakob im Wandelgang des Karlsruher
Ständehauses. Wie nebenbei sagte Lender, er werde einen neuen Antrag
auf Änderung des Examensgesetzes einbringen. „Diesmal", antwortete Hansjakob
, „werde ich nicht reden wie vor vier Jahren, aber ich wünsche, daß der
Antrag einen freisinnigen, versöhnlichen Ton anschlage!"45 Dem war nicht
so; und Hansjakob zeigte sich bereits über die Formulierung des Antrags enttäuscht
. Seine alte „Ruhfunkigkeit", wie er seinen aufsteigenden Zorn nannte,
erwachte und ließ ihn unruhig werden auf der seit acht Jahren heimischen Abgeordnetenbank
, als er in der Kammersitzung vom 25. Januar 1878 die Begründung
Lenders zu diesem Antrag hörte. Als Sprecher der Fraktion gab
Lender zwar seine Bereitschaft für eine Verständigung bekannt, aber nicht die
Kirche, forderte er, sondern die Regierung bzw. die Kammer müsse zur Abänderung
des leidigen Examensgesetzes den ersten Schritt tun46.
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