Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 223
(PDF, 137 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0223
geistlichen Gericht zu Mainz und dort auch katholisch. Er praktiziert
13 Jahre am kaiserlichen Hof als notarius publicus."

In Zell lernte er Jacobäa Schülin kennen. Vielleicht war es Mitleid mit der
Gefolterten, vielleicht ihre Jugend und Schönheit: es begann das alte Spiel
der Liebe, 1603 heirateten Jacobäa Schülin und Tinctorius.

Aber die Zeller Hexenbeschuldigung war an der jungen Frau nicht spurlos
vorüber gegangen. Es stellten sich Krankheiten an Seele und Körper ein.
Die Akten schreiben von ,,lepros". Die Tinctorius machten eine Wallfahrt
nach Loretto und später nach Rom. Als dann die alte Not wieder über Jacobäa
kam, beschloß ihr Mann eine neue Wallfahrt, diesmal nach Santiago im
Land Spanien. Da man sich der Strapazen bei der Romfahrt erinnerte, pilgerte
der Gatte allein.

Die Akten geben keine Auskunft, warum Tinctorius nach seiner Rückkehr
nicht wieder in seiner alten Berufswelt arbeitete. Er übernahm im Winter
1614 droben auf der Baar im Dorfe Aasen eine Schule. Aber schon im Frühjahr
1615 ließ er sich beim Fürstenbergischen Rentmeister in Donaueschingen
als Gehilfe anstellen. 1618 wurde er unter dem Grafen Wratislaus I.
Registrator und 1622 Notar in Hüfingen.

Das Ehepaar ahnte nicht, daß damit für die einst freigesprochene ,,Zeller
Hexe" und den Mann, der das Hexenwesen in der Reichsstadt untersuchen
mußte, das Schicksal begann, das für sie als ,,Hexe" und ihn als „Hexenmeister
" mit der Todesstrafe endete.

Tinctorius war ein tüchtiger, fleißiger, treuer Beamter. Mit seinen ersten
Handlungen trat er Mißbräuchen im Dienst entgegen. Er wandte sich gegen
Meister Hans, den Scharfrichter, dem er für dessen blutige Arbeit manches
bisher übliche Sümmchen strich. Dem Gefällerheber Ribola, der beim Eintreiben
der Steuern für Verstorbene kurzerhand mit Pfändung arbeitete, sah
er ebenfalls genau auf die Finger. Derart schuf sich Tinctorius in den beiden
mit ihren Verwandt- und Freundschaften eine gefährliche Meute, die
sprungbereit aufs Zuschlagen lauerte.

Ins Ränkespiel gegen den Notar wurde natürlich dessen Frau, die einstige
,,Zeller Hexe", mit einbezogen. Fromme Wallfahrer, die zur Mutter Gottes
nach dem ja nicht allzu fernen Zell pilgerten, brachten bezüglich der Jacobäa
Schülin allerhand in Erfahrung, was für die Genossen mit Anhang ein
„gefundenes Fressen" bedeutete.

Der „Hüfinger Kleinkrieg gegen die Tinctorius"— in Einzelzügen klingt's
übrigens ganz modern — begann am 5. Juli 1631 — im 14. Jahr des Dreißigjährigen
Krieges. Am hellen Tag rannte der Welschhans in einem ,,Tob-
suchtsanfall" als Hemdglunker mit einem Stecken durch die Straßen und

223


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0223