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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 324
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selbstverständlich die Einweihung eines so großen Kreises. Als Fendrich
sein Manuskript verfaßte, mußte er wissen, daß nur ganz wenige vom „Alten
Bund" Kenntnis von der verbotenen Verbreitung sozialistischer Literatur
haben konnten, denn Adolf Geck enthüllte 1910, was sich da tatsächlich
Mysteriöses im Pavillon, dem Überrest der alten Kegelbahn, dem „bacchantischen
Heiligtum" der Bündler, hin und wieder zugetragen hatte. Nur
etliche schienen Mitwisser eines geheimnisvollen Vorgangs zu sein:

„Die Polizei roch nichts davon; das war die Hauptsache. Heute soll sie in
das Geheimnis eingeweiht werden. Ein Mädchen aus der Fremde betrat in
jener Zeit öfters die heilige Halle. Man wußte nicht, woher es kam. Und
seine Spur war schnell verloren, sobald die Arbeit vollendet war, die im
Herstellen, Verschnüren und Versiegeln zahlreicher Pakete bestand. Sie enthielten
Broschüren und Flugschriften. Das Mädchen kleidete sich sonderbar
, trug sein Haupt vermummt, wie ein wandelndes Geheimnis, wie ein
Weib, das einen Zahnschmerz durch Fernhalten der Zugluft lindern oder
verhüten will. Der Name jenes Weibes war damals weltbekannt, ein Preis
war auf das Haupt gesetzt, das etwas männliche Gesichtszüge aufzuweisen
hatte."

Anlaß für seine Enthüllung war eine Meldung in der Presse. Wir lesen in
einem Berliner Blatt die Mitteilung aus Petersburg von der bedenklichen
Erkrankung der Wera Sassulitsch. Um keine andere als um diese russische
Revolutionärin handelt es sich bei dem Mysterium aus dem Klublokal des
,Alten Bundes'."

Adolf Geck: Wera Sassulitsch — eine Frau ohne Furcht und Tadel
Wer war Wera Sassulitsch?

Um mit Zeitgenossen zu reden: eine „moderne Charlotte Corday"; wenn
auch nicht mit dem Dolch im Gewände, mit welchem die Enkelin eines Ministers
und Tochter eines Senators einen Stadthauptmann lebensgefährlich
verletzt habe, wie Paul Sethe schrieb.5 Wera S. schoß mit einem Revolver,
um die einem ihr unbekannten Studenten widerfahrene Mißhandlung zu rächen
. Als General Fjodor Trepow, Regierungsstatthalter von Petersburg und
Polizeikommandant, bei einer Inspektion des Untersuchungsgefängnisses
am 13. Juli 1877 von dem im Hof an ihm vorbeigehenden Sträfling Bogolju-
bow (A. S. Jemeljanow) nicht gegrüßt wurde, ließ er ihn auspeitschen. Der
Vorgang löste in der Öffentlichkeit starke Empörung aus, und Wera griff am
24. 1. 1878 bei einer Audienz zur Waffe: der verhaßte General wurde schwer
verwundet, doch Wera S. wurde von einem Schwurgericht am 31.3. 1878
überraschend freigesprochen! Eine tausendköpfige Menge schützte sie beim
Verlassen des Gerichtsgebäudes vor einer widerrechtlichen Verhaftung. Der
unerwartete Freispruch löste in ganz Europa Befriedigung aus; der Schuß

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