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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 379
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Grimmelshausen in Nürnberg?

Über die Verbindung zu den Freiherren von Crailsheim

W. E. Schäfer

Der Literat Grimmelshausen wird wohl immer eine ungewöhnliche Erscheinung
unter seinen schreibenden Zeitgenossen bleiben, in vielem rätselhaft,
in manchen Zügen nur annähernd zu erklären. Darüber können die Fortschritte
, welche die intensiv betriebene Forschung in Hinsicht auf seine literarischen
Vorlagen, die Techniken der Verarbeitung seiner Vorlagen, die
Erfassung seiner Absichten und seiner uns hie und da fremd anmutenden
Darstellungsformen in den letzten Jahrzehnten erbracht hat, nicht hinwegtäuschen
. Wie konnte der Vater einer elfköpfigen Familie, der Wirt einer
Dorfwirtschaft (ab 1665), der Schultheiß einer Ackerbürgerstadt (ab 1667),
der für das Steueraufkommen, für die Finanzen überhaupt, für die öffentliche
Ordnung, die ,,Policey", für die niedere Gerichtsbarkeit und für die Gewerbeaufsicht
verantwortlich war, wie konnte er in der Zeitspanne eines
Jahrzehnts bis zu seinem Tode 1676 diese Fülle von Erzählungen, Abhandlungen
, Kalendern hervorbringen, die nun in der von Rolf Tarot betreuten
Gesamtausgabe vorliegen?1 Wie brachte er es fertig, diese Fülle von Büchern
der verschiedensten Art zu überblicken und im rechten Augenblick
zur Hand zu haben, die er ganz offensichtlich gekannt und über diesen Zeitraum
ausgewertet hat?

Ihm fehlte doch — auch wenn wir ihn gewiß nicht als ,,Bauernpoeten" (den
es im 17. Jahrhundert ohnehin noch nicht gab) ansehen wollen — ihm fehlte
doch akademische Bildung, wie sie die bekannteren Autoren drüben in
Straßburg, Johann Michael Moscherosch, Johann Matthias Schneuber, wie
sie selbst Quirin Moscherosch, der Dorfpfarrer von Bodersweier, erworben
hatte. Die Lateinschule in Gelnhausen, die er - wahrscheinlich - durchlaufen
hatte, gab ja erst die Voraussetzungen für den Beginn eines akademischen
Bildungsgangs.2 Er war nicht eingebunden in den lebhaften
Austausch und Verkehr zwischen den Gebildeten in Briefen, gegenseitigen
Empfehlungen, besonders bei Verlegern, Gratulations- und Widmungsgedichten
, Geschenken, wie er unter den Zugehörigen der res publica litte-
raria üblich war, geschweige daß er Mitglied eines gelehrten oder
literarischen Zirkels, der Anregungen und freundschaftliche Kritik bot, gewesen
wäre. Die Geleitgedichte von anderer Hand, die seinen Schriften beigegeben
sind, stammen, falls er sie nicht gar selbst verfaßt hat, von Adligen
der Ortenauer Reichsritterschaft, denen er — trotz des Adelsanspruchs seiner
Vorfahren — nicht ebenbürtig war.3 So kann man Grimmelshausen als
„Mann zwischen den Ständen" bezeichnen, eine Umschreibung seiner so-

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