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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 462
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Den Zwang verwarf Harmsen nicht, sondern er war nur bemüht, ihn auf
einen engeren Personenkreis eingeschränkt zu wissen. Der „Centrai-
Ausschuß" lehnte die zwangsweise Sterilisierung nicht ab, jedoch forderte
er die evangelischen Krankenhäuser auf, solche Sterilisierungen nicht
durchzuführen.41 Als ab 25. Juni 1935 die Schwangerschaftsunterbrechung
aus eugenischer Indikation ermöglicht wurde, wies der ,,Centrai-Ausschuß"
gleichfalls die Krankenhäuser an, diese nicht vorzunehmen. Zusätzlich
wandte er sich an das Reichsinnenministerium und ließ dort die schwierige
Situation, in die die Innere Mission durch dieses Gesetz komme, darstellen.
Ansonsten kam jedoch kein Protest.42

Der Kirchenhistoriker Nowack zog aus dieser Haltung den Schluß: „Indem
sie (die Innere Mission, d. Vf.) das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
durch ihre sonstige Mitarbeit legitimierte, rechtfertigte sie in der
praktischen Konsequenz auch die zwangsweise Unfruchtbarmachung."43
Daß die Innere Mission überhaupt bei der Durchführung mitmachte, sah er
,,in ihrer Verbundenheit mit den eugenischen Reformbestrebungen der
zwanziger Jahre" begründet. ,,Im NS-Eugenik-Programm glaubte sie die
Ideen in die Tat umgesetzt, als deren Vorkämpferin sie sich empfunden
hatte."44

Die Durchführung des Gesetzes

Der unter das Gesetz fallende Personenkreis reichte sehr weit. So verwundert
es nicht, daß sich unter der betroffenen Bevölkerung Widerstand regte,
so daß neue Zwangsbestimmungen notwendig wurden.45 Selbst innerhalb
der NSDAP kam Widerstand gegen das Gesetz auf. Zum einen, weil selbst
Parteiangehörigkeit nicht vor der Anwendung des Gesetzes schützte, und
zum anderen, weil sich die Partei weitestgehend von der Mitgestaltung und
Anwendung des Gesetzes ausgeschlossen sah.46 Die eigentliche Ausführung
und Veränderung des Gesetzes oblag der Staatsverwaltung. Laut den
Angaben des Bundesministeriums der Justiz wurden zwischen 1933 und
1945 etwa 350000 Menschen zwangssterilisiert.47

Dem Gesetz wurden immer wieder Neuerungen einverleibt. So war ab dem
25. Juni 1935 mit Einwilligung der Betroffenen eine Verbindung von Sterilisation
und Schwangerschaftsabbruch möglich.48 1936 ermöglichte ein
zweites Änderungsgesetz die Zwangssterilisation durch Röntgen- oder Radiumstrahlung
durchzuführen.49 Mit der Durchführungsverordnung vom
31. August 1939 begrenzte der Gesetzgeber die Zwangssterilisation auf Personen
, bei denen besonders große Fortpflanzungsgefahr bestand. Dies
schränkte die Praxis der Zwangsmaßnahmen zwar stark ein, doch wurden
sie bis 1945 durchgeführt.50

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