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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 466
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unseres Volkes mehr denn je dazu veranlassen, die Zahl solcher als unge-
bessert Entlassenen noch geringer zu gestalten."55 Von dieser Grundeinstellung
ausgehend, war es kein großer Schritt, das Zwangssterilisierungs-
gesetz zu befürworten. So schreibt er im Jahresbericht 1933/34: „Das Gesetz
gibt die Möglichkeit, die Zahl der Erbkranken herabzusetzen, dadurch
viel Leid und Elend zu verhüten und in absehbarer Zeit die großen Kosten
für die Allgemeinheit etwas herabzusetzen. Die Sterilisierung ist keine Strafe
für den davon Betroffenen, sondern eine Tat der Nächstenliebe und Vorsorge
für die kommende Generation. Der Kampf unseres Führers für
Deutschlands Reinerhaltung und Aufartung muß auch unser Kampf
sein."56 Auch der stellvertretende Direktor, Wilhelm Ziegler, begrüßte das
Gesetz warm, wie er in einem Presseartikel über das 43. Jahresfest 1936
schrieb.57 Noch 1938 konnte er formulieren, daß er das Gesetz in vollem
Umfange bejahe (— trotz des möglichen Schwangerschaftsabbruchs, der
1935 eingeführt wurde, d.Vf.). Zwei Drittel der an Epilepsie leidenden
Menschen sah Dr. Ziegler als erbkrank an;58 der Anstaltsarzt Dr. Wiederkehr
ging sogar von 80 % aus.59 Insgesamt ist zu erkennen, daß die
Zwangssterilisierung in Kork kein kontroverses Thema war.

Der ,,Centrai-Ausschuß" der Inneren Mission legte den Leitern evangelischer
Einrichtungen nahe, nicht selbst Sterilisierungsanträge zu stellen,
sondern die ausgefüllten Papiere an den Amtsarzt weiterzuleiten.60 Dieser
Empfehlung entsprach die Korker Leitung jedoch nicht. Von den 102
Zwangssterilisierungen zwischen 1934 und 1939 erfolgten 87 auf Antrag der
Anstalt, zwei beantragte der Amtsarzt, elf stellten selbst ihre Anträge, und
zwei weitere Anträge wurden von anderen Institutionen gestellt.61 Der operative
Eingriff erfolgte in der Regel im Krankenhaus in Kehl. Die Frauen,
Mädchen, Männer und Jungen wurden für kurze Zeit stationär im Krankenhaus
aufgenommen.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes mußten nur Menschen sterilisiert werden,
die nicht in geschlossenen Einrichtungen lebten oder von dort entlassen
oder beurlaubt werden wollten. Kork war eine geschlossene Anstalt im Sinne
des Gesetzes. Etwas überraschend erscheint daher der hohe Anteil von
langjährigen Bewohnern der Einrichtung an den Sterilisierten. 52 Menschen
, die noch bis 1940 und darüber hinaus in der Anstalt in Kork lebten,
wurden zwangssterilisiert. Die Anstalt Kork erfüllte also nicht nur die gesetzlichen
Bestimmungen, sondern setzte eigene Gewichtungen. Um den
Anstaltsarzt bei dem erhöhten Arbeitsaufkommen in Zusammenhang mit
den Sterilisierungen zu entlasten, stellte sie zum 1. Juni 1936 einen Assistenzarzt
ein.62 Nach Aktenlage scheint Dr. Wiederkehr 1938 zum Beisitzer
im Offenburger Erbgesundheitsgericht berufen worden zu sein.63 Die
Beisitzertätigkeit war nicht freiwillig, sondern wie ein Schöffendienst Bürgerpflicht
. Der Gesetzgeber verlangte jedoch von den vorgeschlagenen Ärzten
, daß sie in der Erbbiologie kundig waren.

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