http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0474
durch die Meldung der bisherigen und zukünftigen Todesfalle sowie durch
Verlegungen in andere Anstalten an.97 Erneut wurde diesem bürokratischen
Vorgehen offensichtlich keine Bedeutung beigemessen.
Die Ankündigung des ersten Transports
Der geheime Erlaß vom 22. Mai 1940 verfügte dann eine Verlegung von 75
weiblichen Patienten am 28. Mai 1940.98 Alphabetisch aufgelistet waren jedoch
91 Frauen. Die über die geforderten 75 Personen hinausreichende Zahl
an Frauen und Mädchen war als Ersatz für inzwischen verstorbene oder
verlegte Patientinnen gedacht. Es ist davon auszugehen, daß die „Kapazität
" in Grafeneck bei 70 bis 75 Menschen lag99, so daß durch die Reserven
auf der Liste die „Auslastung" der Tötungsmaschinerie gesichert sein
sollte.
In seinem Antwortschreiben an das badische Innenministerium suchte Pfarrer
Meerwein ausschließlich mit wirtschaftlichen Argumenten zu überzeugen
. Durch die Wegnahme der Pfleglinge bestehe die Gefahr des
wirtschaftlichen Ruins. Dieser könne nicht aufgefangen werden. Zudem wäre
die weitere Besoldung der Angestellten nicht mehr möglich.100 Pfarrer
Meerwein fuhr zum Badischen Ministerium des Inneren nach Karlsruhe
und trug mit seinem Schreiben sein Anliegen persönlich dem Ministerialrat
Dr. Sprauer vor. Über die Argumentation in finanzieller Hinsicht führte der
Anstaltsleiter zusätzlich die Arbeitskraft zahlreicher auf der Liste genannten
Pfleglinge an. Auf diese sei man nach der Rückkehr nach Kork wegen
der dortigen Landwirtschaft angewiesen. Dr. Sprauer sicherte Meerwein
bei diesem Gespräch beste Versorgung und ausreichend Pflegepersonal für
die Pfleglinge zu. Ferner genehmigte Sprauer den Ersatz von arbeitsfähigen
Personen auf der Liste durch nicht arbeitende Personen. Diesen Vorschlag
lehnte Pfarrer Meerwein jedoch ab.101
In Stetten wurden unterdessen — ausgehend von einer regulär durchzuführenden
Verlegung - Kleiderlisten geführt, Taschengeldlisten erstellt, sonstiger
Besitz registriert.102 In ihrer Ahnungslosigkeit bekleideten sich die
Heimbewohnerinnen auch zu dieser Reise mit ihrem „Sonntagsstaat".103
Die ,,Grauen Busse" kommen nach Stetten
Am 28. Mai 1940 kamen dann die „Grauen Busse" nach Stetten. Sie holten
70 Mädchen und Frauen nach Grafeneck, wo sie ausnahmslos ermordet
wurden. Die Krankenakten mußten beim Transport mitgegeben werden.
Über die aufnehmende Anstalt hüllten sich die Transportleiter in Schweigen
. Die Benachrichtigung der Angehörigen über die Verlegung sollte
durch die Aufnahmeanstalt erfolgen. Der Korker Leitung oblag es lediglich,
die Kostenträger über die Verlegung zu informieren.
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