http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0518
Aus Karlsruhe wird gemeldet, daß die Versorgung der Bevölkerung mit
Kartoffeln, Gemüse und Nährmitteln anhaltend schlecht sei.172 Die große
Zahl von Todesanzeigen Gefallener, verbunden mit der Tatsache, daß seitens
des Oberkommandos der Wehrmacht keine Verlustmeldungen bekanntgegeben
werden, führt zu dem Gerücht über hohe Verluste.173 Kritisiert
wird, daß Betriebe die „Unabkömmlichkeitsstellung" ihrer Mitarbeiter dazu
ausnutzen, ihnen mit der Einziehung zur Wehrmacht zu drohen.174
Im Stadt- und Landkreis Freiburg sowie im Landkreis Emmendingen ruft
die hohe Zahl der Einberufung von „landwirtschaftlichen Betriebsführern"
in der bäuerlichen Bevölkerung große Unruhe hervor, da nunmehr eine geordnete
Bewirtschaftung der Höfe gefährdet sei.175
Trotz entsprechender Appelle nahm der Osterverkehr bei der Reichsbahn
erneut um 1 % zu. Reisende mußten durch die Fenster ein- und aussteigen
.176
Der Mangel an Tabakwaren führt im April dazu, daß in Karlsruhe angeordnet
wird, Tabakkarten von Raucherinnen gar nicht mehr oder nur noch einmal
wöchentlich zu beliefern.177
In der Auseinandersetzung um den Tod des Oberst Mölders wirft die
NSDAP der katholischen Kirche Fälschungen vor, die unternommen worden
seien, um Mölders als katholischen Christen darzustellen. Wieder ist
es der Freiburger Erzbischof Dr. Gröber, der hier engagiert die Position der
Kirche vertritt.178
Im gesamten Reichsgebiet kursieren Gerüchte, wonach die Angehörigen des
weiblichen Arbeitsdienstes in ihren Lagern dazu aufgefordert würden,
„dem Führer ein Kind zu schenken". Zu diesem Zweck würden SS-Männer
zugweise den Lagern zugeführt.179 Wenn auch in etwas anderer Form, erweist
sich diese als „Lebensborn" genannte Aktion später in gewisser Weise
als wahr.
Am „Heldengedenktag", der aus propagandistischen Gründen (Erwachen
der Natur) im Frühling begangen wurde, nimmt wieder der Freiburger Erzbischof
Dr. Gröber deutlich Stellung180: „Uber zwei Jahre wütet nun schon
das blutige Völkerringen, und kein Sterblicher weiß, wieviel ... Männer
und Söhne ... ihm unentrinnbar zur Beute werden. ... Man hat in letzter
Zeit zur Beruhigung der Bevölkerung davon gesprochen, daß durch den Geburtenüberschuß
bereits ein Ersatz für die toten Helden geschaffen worden
sei..."
Unzufriedenheit löst im Kreis Mannheim die Pferdemusterung aus181: Die
Kleinbauern müßten oft ihr letztes Pferd abliefern, während es seitens von
Großbauern verstanden werde, durch Atteste die „Untauglichkeit ihrer Pferde
" herbeizuführen.
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