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bensgemeinschaft zwischen den Beginen und den sie betreuenden Franziskanern
herausgebildet haben, deren wirtschaftliche Verflechtungen mitunter
sehr eng sein konnten.166
Die erwähnte Gruppenbildung am Ende der Vita (ab f. 238r/12) und auch
die Aufnahme Gertruds durch die ,arme Schwester' am Beginn des Textes
beweisen, daß die (kleinen) Gemeinschaften in der Regel wohl aus der Initiative
der einzelnen Schwestern heraus entstanden sind, die sich — mit ihren
Bediensteten — zu mehreren vor allem deshalb zusammengeschlossen
hatten, um ein Haus zu mieten oder zu kaufen, das sicher nicht für jede einzelne
erschwinglich gewesen wäre. Oder sie konnten — aus demselben
Grund — in einem schon bestehenden Haus Aufnahme finden.
Nach Phillips (z.B. S. 122) waren die meisten Straßburger Beginenhäuser
nicht als solche gegründet worden167, und wie in Straßburg wird auch in
Offenburg die Gruppenbildung (besonders in späterer Zeit) auch durch Aufnahme
von Schwestern in eigens zu diesem Zweck gestiftete ,Gotzhüser' erfolgt
sein.
Hintergründe der Straßburger Zeit
Auch im Hinblick auf die Straßburger Zeit von Gertrud und Heilke macht
der Text nur wenige historisch direkt verwertbare Aussagen; die meisten
Gegebenheiten müssen auch hier erschlossen werden.
Die Anziehungskraft Straßburgs168 auf die Menschen der Umgebung, besonders
auf Unverheiratete, war groß; dementsprechend hoch waren die Zuwanderungsraten
.
Das wirtschaftliche Leben der Stadt bot Frauen (auch unverheirateten)
wahrscheinlich noch vielfältigere Betätigungsmöglichkeiten als Männern.
Die Tätigkeiten, die sie ausübten, waren vor allem die nicht von Zünften
kontrollierten Gewerbe, wie die Arbeit als Hausbedienstete, Magd oder
Wäscherin; aber auch Krankenpflege, Spinnen oder Nähen, Kleinhandel
mit Federn, Seife, Milch, Honig usw. standen ihnen offen. Die sehr guten
Möglichkeiten wirtschaftlicher Absicherung — in dieser Zeit anscheinend
besser als in den meisten der folgenden Jahrhunderte169 — waren für Gertrud
und Heilke jedoch sicher nicht bestimmend, immerhin waren beide
vermögend.
Wie bei Christina von Stommeln und Mechthild von Magdeburg wird die
große Anziehungskraft der Stadt auch bei den beiden Offenburgerinnen
deutlich. Sie bestand vor allem in den Klöstern der Bettelorden und in bekannten
Predigern, die von den Beginen auch als Beichtväter geachtet und
geschätzt waren. Durch die Konvente ermöglichte die Stadt täglichen Kontakt
mit berühmten Männern von außergewöhnlicher Religiosität. Gertrud
ist zumindest Heinrich von Talheim1693, der als Beichtvater namentlich er-
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