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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 289
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dieses Gefühl nicht sogar über die Grenzen hinaus die benachbarten Deutschen
ergriffen!? Wir denken dabei an die Gedanken und Anschauungen,
die in der 48/49 Revolution, von Frankreich über das Elsaß kommend, sich
im Großherzogtum Baden, u. a. auch im badischen Hanauerland und in der
gesamten Ottenau ausgewirkt haben.18 Wie kann man darum von deutscher
Seite aus den Elsässern und Lothringern das vorhalten, was etwa im Großherzogtum
Baden weithin und mit großer Begeisterung Eingang fand! Es ist
ja auch nicht unbekannt, daß Johann Wolfgang Goethe die Universität
Straßburg bezog, um dort im Französischen sich zu vervollkommnen. Daß
diese Sache dann anders verlief, mag auch wieder eine Kuriosität innerhalb
der deutschen Literatur darstellen.19 Daß man nach den Napoleonischen
Kriegen auf dem Wiener Kongreß 1815 dann alles beim alten beließ und aus
dynastischen Gründen auf das Elsaß keinen Anspruch erhob, mag die Franzosen
und die Elsässer in ihrem Verhalten bestätigt haben.20

Die höheren Schulen und die Universität ausgenommen, wo das Französische
Fortschritte machte, geschah der Unterricht in den Schulen bis in die
Mitte des 19. Jahrhunderts hinein im Elsaß noch auf deutsch, erst um diese
Zeit setzten französische Bemühungen ein, den Französischunterricht auch
in den Volksschulen zu forcieren.21 Anfang des 19. Jahrhunderts kam es im
Elsaß zu einem literarischen Aufbruch, der in Hochdeutsch und auch zum
ersten Mal in elsässischer Mundart erfolgte22, aber gerade diese Kreise
von Dichtern, die auf ihre Eigenart Wert legten und auch mit deutschen
Dichterkreisen Verbindung hatten, betonen ausdrücklich ihre Zugehörigkeit
zu Frankreich. So kann Daniel Ehrenfried Stöber (1775—1839) — die Elsässer
tragen damals noch durchweg deutsche Vornamen — bekennen: ,,Meine
Leier ist deutsch, die klingt von deutschen Gesängen, liebend den gallischen
Hahn... französisch mein Schwerdt. Mag es über den Rhein und
über den Wasgau ertönen"23. Hier klingt zum ersten Mal klar die Doppel-
heit und auch die Dialektik im Wesen des Elsässers heraus, dessen wurde
man sich nun auch im Elsaß nach und nach bewußt. Ein Reichsdeutscher
, der das hört oder liest, wird das alles nur mit Mühe verstehen können
. Die Geschichte des Elsasses hat das so geformt, diese doppelte Wurzel
wird sich künftighin in den Elsässern nicht mehr ohne weiteres beseitigen
lassen. Wenn auch in den Worten Stöbers — man könnte sie mit Aussprüchen
anderer Vertreter aus dem Elsaß leicht ergänzen —, ein klares politisches
Bekenntnis zu Frankreich zum Ausdruck kommt, so äußert sich darin
doch kein nationales Pathos, geschweige denn Nationalismus. Die über
zweihundert Jahre des Zusammenlebens mit der französischen Nation —
das muß man am Vorabend des 70/71 Krieges in aller Deutlichkeit sehen
— haben Abstand zum Deutschen Reich und zu den Deutschen geschaffen:
Man kann die Elsässer und die Deutschlothringer schon in dieser Zeit nicht
mehr mit den Deutschen im Deutschen Reich vergleichen. Man hatte im Elsaß
und in Deutsch-Lothringen gar kein Bewußtsein mehr zusammenzuge-

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