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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 290
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hören. Man fühlte sich diesen Deutschen weitaus überlegen, man meinte,
etwas zu haben, was diese nicht hatten. Und das alles garantierte Frankreich
als Weltmacht, als Kolonialmacht in der Zwischenzeit, als reiches Land, als
gut organisierter Staat mit Paris als Weltstadt, das es damals schon längst
war, als Zentrum der Kultur und des Geistes, die weltbestimmend waren
und das Maß überall setzten, wo man hinkam. Das alles stellte den föderalistischen
Aufbau in Deutschland in den Schatten; dieser geschlossene
französische Staat war den vielen Kleinstaaten in Deutschland in allem
überlegen. Das erfüllte die Menschen im Elsaß und in Deutsch-Lothringen
mit einem berechtigten Stolz.

In diese schier heile Welt im Elsaß, in der man sich wohl fühlte, platzte —
wir müssen uns schon so drastisch ausdrücken — völlig unvorhergesehen
und auch nicht als für möglich gehalten, die Niederlage Frankreichs
1870/71. Der Sieg der Deutschen, man nannte sie damals in Frankreich fast
immer die Preußen, hatten die Franzosen in ihrem Stolz verletzt, sie sannen
auf Revanche und betrieben diese mit psychologischem Geschick, wie überhaupt
im Konzert der europäischen Völker sich die Franzosen gegenüber
den Deutschen immer als die besseren Psychologen erwiesen haben und in
diesem Rahmen auch gegenüber den Elsässern immer — und das ist lange
her — die besseren Karten hatten. Das verschaffte den Franzosen auch einen
Vorsprung vor den Deutschen im Land zwischen Rhein und Vogesen.
Das Gleichgewicht, das die Elsässer sich aufgebaut hatten, war nach 1871
zerstört, und das mußten die Deutschen, die nun die Herren im Lande waren
, auch spüren. Die Einverleibung ins Reich Bismarcks schmeckte den
meisten Elsässern nicht. Die Beschießung Straßburgs und die damit verbundene
Zerstörung wertvoller Kulturgüter des Landes wirkte sich verhängnisvoll
auf die Stimmung im Elsaß aus, man darf hier wohl zu Recht die Frage
stellen, ob diese Beschießung strategisch notwendig war.

Der deutsche Sieg zeitigte zuerst eine Unterbrechung in der Entwicklung
des ganzen Landes, auch auf dem wirtschaftlichen Sektor.25 Die Umstellung
gelang nicht so schnell.26 Aber doch kam es bald, bedingt durch die
deutsche Dynamik der Gründerjahre, zu einem nie geahnten wirtschaftlichem
Aufschwung im Elsaß und in Lothringen. Aber dieses Unbehagen der
Zeit nach 1871 schleppte sich doch durch die Jahrzehnte nachher hindurch,
man heizte es immer wieder an. Die Deutschen begegneten dieser Stimmung
im Elsaß nicht immer mit geschickten Mitteln, auch war in ihrem
Verhalten keine einheitliche Linie zu erkennen. Bestimmte frankophile
Kreise hatten ein Interesse daran, daß es hier nicht zur Aussöhnung kam.

Viele potente Leute, vor allem aus geistigen und wissenschaftlichen Schichten
, optierten für Frankreich. Daß die neuen Machthaber die freien Stellen
in der Führungsschicht mit ihren Leuten besetzten, erzeugte in der elsässi-
schen Bevölkerung Unmut, auffällig ist, daß den Deutschen hier ein Verhal-

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