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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 343
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Beide Vorfälle stehen in einem scheinbaren Kontrast zu Gäßlers Engagement
in seiner Gemeinde, der er testamentarisch 2000 Gulden vermachte.
Auch Belli kann sich in seinen Memoiren an den rührigen Pfarrer erinnern.
Er bezeichnet ihn als , ,Wessenbergianer."106 Tatsächlich begann Gäßler seine
Laufbahn 1825 als Kooperator am Konstanzer Münster. Einige Jahre später
finden wir ihn als Pfarrverweser zu St. Augustin in Konstanz, bevor er
1831 als Stadtpfarrer und Schuldekan nach Karlsruhe ging.

Von Pfarrer Gäßler sind uns glücklicherweise im Weingartener Pfarrarchiv
eine Reihe von Predigten überliefert.

An Text und Inhalt seiner Predigten läßt sich Gäßlers Weltanschauung konkreter
beurteilen als durch seine Personalakte! Wenn wir seine Klagen über
die Laster und Ungebührlichkeiten des Kirchenvolkes hören, klingt das
nach alt Bekanntem.

,,Wie oft geschieht es, daß Leute in ihren Häusern alles aufnehmen, was sonst nirgens geduldet
wird; sie lassen spielen und trinken, gestatten unter ledigen Leuten verbothene Zusammenkünfte
, verheimlichen und verbergen vielleicht gar manches Gut, das entwendet worden
ist. Und dies alles, um Brod und Unterhalt sich zu verschaffen. Andere lassen ihre Töchter
zu allen Lustbarkeiten und Tänzen; dann sagen sie, man muß sehen, daß sie Versorgung bekommen
, sitzen sie zu Hause, so kommt niemand und bleiben uns am Halse."10'

Gäßlers Rügen über Kleiderpracht und Verschwendungssucht, seine Warnung
vor dem jugendlichen Leichtsinn, waren zeittypische Topoi."108

Verfolgen wir eine weitere, zu Ostern 1841 gehaltene Predigt:

,,Die Erde ist nicht nur der Wohnplatz für die Menschen, sondern auch der Gegenstand an
dem sie ihre Thätigkeit äußern sollen. Der Landmann verwandelt die Steppen in schönes
fruchtbares Feld; des Handwerkers und Künstlers Hand stellen uns die bequemen Wohnungen
und Geräthschaften hin, und des Bergmanns Fleiß durchwühlt den Schoß der Erde,
(...)"

Der Weingartener Geistliche prieß den Menschen als kreatives Wesen, das
durch seine Arbeit den Wohlstand ständig fördere. Er schwärmte gar vom
Wechsel der Dinge: „Wie traurig wäre es, wenn das einmal Bestehende in
derselben Form verbleiben müßte?"

Gäßlers Idealismus muß wohl ungebrochen gewesen sein, wenn er zu dem
Zeitpunkt, als die Armut in seiner Pfarrei am größten war, dem gesellschaftlichen
Wandel eine positive Seite abgewinnen konnte!

Sah Gäßler nicht, was um ihn geschah? — Sein Idealismus darf uns nicht
blenden.

Tatsächlich können wir ihn als einen , ,Wessenbergianer" bezeichnen, der
nach radikalen Veränderungen strebte. Und darin unterschied sich Gäßler
im wesentlichen von seinen Nachfolgern. Mit großem Selbstbewußtsein und
Furchtlosigkeit gegenüber Autoritäten erklärte er in der gleichen Predigt:

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