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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 516
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Zugleich muß hervorgehoben werden, daß sich die Europa-Idee früh mit
dem Ideal der Demokratie verband („Demokratisierung" gehörte zum Programm
der jungen „Stürmer"), und bald mit internationalem Sozialismus
im Sinne von Jean Jaures (schon die Pariser Essays Schreie auf dem Boulevard
zeugen davon), so daß Schickele sich immer deutlicher als deutscher
Dichter in der Opposition zum Wilhelminischen Reich profilierte. Ganz besonders
im ,,Reichsland Elsaß-Lothringen" verspürte er den Druck jener
„Stiefel" des Wilhelminischen Militarismus: „Hier, wo die Absätze auf
seinem Leibe drücken, schlägt das Herz Europas am unruhigsten .. . und
auch am schmerzhaftesten", schrieb er 1913 (anläßlich der „Zaberner Affäre
"), und er glaubte hinzufügen zu können: „Ist es ein Wunder, wenn da
jeder elsässische Bauer ein Europäer insofern ist, als er darauf schwört, mit
ihm könne zugleich Europa geholfen werden?" Hier zeigt sich jener für
Schickele so charakteristische Zusammenhang zwischen elsässischem Erleben
und europäischer Gesinnung. Im „geistigen Elsässertum" wurzelte
nicht zuletzt sein Pazifismus, der bereits in den Jahren vor dem Weltkrieg
deutlich zum Ausdruck kam. Wenn seine Jugendlyrik wiederholt Kriegsmetaphern
aufweist, sind diese noch zu verstehen als vitalistische Metaphern
(dies hat ja Gunter Martens in seiner grundlegenden Studie Vitalismus und
Expressionismus herausgearbeitet), Enthemmungsmetaphern, gegen den
Wilhelminischen Normendruck gerichtet, wozu dann die vitalistisch-
revolutionäre Dimension kam („die Befreiung des Vitalen im gesellschaftlichen
Umbruch").10 Die pazifistische Gesinnung, und zwar im Sinne der
unbedingten Ablehnung eines deutsch-französischen Kriegs, ergibt sich eindeutig
aus dem Engagement des Essayisten und Journalisten, ganz besonders
1911/12 als Chefredakteur der Straßburger Neuen Zeitung; so erklärt er
z.B., seine eigene Haltung verallgemeinernd, am 16. April 1912 (in jenem
Kontext der damaligen Marokkokrise 1911 /12, womit sich der deutschfranzösische
Konflikt schon kriegsdrohend zugespitzt hatte):

Wir Elsaß-Lothringer können aber gar nichts anderes sein, als leidenschaftliche
Pazifisten, wir können nie und nimmer gelten lassen, daß ein Krieg
zwischen Deutschland und Frankreich unvermeidlich sei, weil dieser Krieg
das Fürchterlichste wäre, was uns widerfahren könnte.
(...)

Solange es Elsässer gibt, werden sie zu allen nationalen Forderungen, die
solchermaßen nach Blut schmecken, ihr NON POSSUMUS rufen" ...

Und noch ein Beispiel aus diesen politischen Leitartikeln Schickeies, die in
der Forschung kaum bekannt oder bisher nicht genug berücksichtigt worden
sind. Am 20. August 1912 schreibt er beschwörend:

Wir zucken instinktiv zurück, wo eine auswärtige Frage geeignet sein könnte
, einen blutigen Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland herauf-

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